Köln, 27.4.2002 - Kundgebung 'Stoppt den Krieg gegen Palästina'Bilder

Stoppt den Krieg gegen Palästina

Aufruf des Kölner Aktionsbündnisses gegen Krieg und Rassismus

Israel führt Krieg in den autonomen Gebieten der Palästinenser. Auf beiden Seiten sterben Menschen, von Woche zu Woche erweitert das israelische Militär seine Operationen auf palästinensischem Gebiet, durch Selbstmordattentate werden Menschen in den Tod gerissen.

Wir glauben, dass militärische Aktionen und Selbstmordattentate nur zu einer weiteren Eskalation führen und den Friedensprozess torpedieren.

Der Rachefeldzug Ariel Scharons gegen die Bevölkerung Palästinas hat jetzt einen Punkt erreicht, an dem wir nicht länger schweigen können. Israels Militär marschiert in bisher autonome Gebiete der Palästinenser ein und macht alle Bewohner zu Geiseln, Panzer walzen Häuser nieder, die Soldaten zerstören Schulen, Krankenhäuser, Kirchen und Moscheen, lebenswichtige Wasser- und Stromleitungen. Wie üblich sind die Hauptopfer des Kriegs Zivilisten. Eingeschlossen vom israelischen Militär, fehlt es ihnen, besonders den Hilflosen - den Kindern, alten Menschen, den Kranken - am Nötigsten.

Wir fordern eine sofortige radikale Abkehr von der Kriegspolitik, ein Ende der Gewalt und Ende der permanenten Menschenrechtsverstößen !

Ermutigt durch den „Krieg gegen den Terror“ der USA und ihrer Verbündeten, glaubt die israelische Regierung, ihre Ziele mit militärischer Macht durchsetzen zu können. Dies ist eine Illusion: so wird sich die Spirale der Gewalt ohne Ende weiter drehen. Verlierer sind die Menschen in beiden Ländern, in Palästina wie auch in Israel.
  • Wir fordern: eine Soforthilfe für die unter dem Krieg leidenden Menschen und erwarten insbesondere von der Stadt Köln, das sie sofort Transporte mit den notwendigen Lebensmitteln und Medikamenten in die besetzten Gebiete in Gang zu bringt. Die Städte partnerschaft mit Bethlehem verpflichtet - sie ist kein Gegenstand für Sonntagsreden!
  • Wir fordern von der Bundesregierung, unverzüglich eine Initiative zur Beendigung des Krieges in Palästina einzuleiten: Alle militärischen Kampfhandlungen sind einzustellen. Alle Waffenlieferungen der Bundesrepublik Deutschland an Israel sind sofort zu beenden.
  • Die Bundesregierung muss auf die israelische Regierung einwirken, sich umgehend aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurück zu ziehen - gemäß der UN-Resolution 242 von 1967.
  • Wir treten dafür ein, dass internationale und unabhängige Beobachter im Auftrag der UNO in das Kriegsgebiet entsandt werden, um den Konflikt zu deeskalieren.
Nehmen Sie mit uns an der Kundgebung teil, am Samstag, 27.4. um 12.00 Uhr vor dem Dom: für die sofortige Beendigung des Krieges in Palästina

Zu Ihnen sprechen: Abdul-Rahman Alawi, Journalist; Claudia Haydt, Informationsstelle Militarisierung (IMI); George Rashmawi, Palästinensische Gemeinde Köln; Dr. Anneliese Butterweck, Judaistin und Mitglied der Kölner Frauen in Schwarz; Fawzi Abu Ayyash, Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem; Peter Bürger, Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorf; Grußworte von Esther Béjarano, Sängerin bei Coincidence; Grußworte des Libanesisch - demokratischen Verbandes

Danach wird zu einer Demonstration durch die Kölner Innenstadt aufgerufen

v.i.S.d.P.: H-J Mosbach, Kölner Aktionsbündnis gegen Krieg und Rassismus, c/o Ölbergstr. 43, 50939 Köln


Zutiefst erschüttert...

Grußwort von Esther Bejerano, Sängerin in der Gruppe 'Coincidence'

Lieber Freundinnen und Freunde des Friedens, als ehemalige Verfolgte des Naziregimes, ehemalige Gefangene in Auschwitz und Ravensbrück, bin ich zutiefst erschüttert über die Eskalation der militärischen Gewalt in den besetzten Gebieten.

Ich bin auch zutiefst erschüttert über die Selbstmordattentate von Palästinensern, die so viele israelische unschuldige Menschen mit sich in den Tod reißen, und immer dann, wenn gerade versucht werden soll, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Diese Kriegsspirale führt niemals zum Frieden. Ein Schritt zum Frieden zwischen Israelis und Palätinensern wäre die Räumung der besetzten Gebiete von den Siedlern Israels. Sie haben dort nichts zu suchen.

Ich stehe voll auf der Seite der israelischen Friedenskräfte. Sie gilt es zu unterstützen im Kampf gegen den kriegswütigen Ariel Sharon, der meiner Meinung nach ein Kriegsverbrecher ist. Er gehört vor ein Kriegstribunal und auf keinen Fall an die Spitze des Volkes Israel.

Die Palästinenser müssen endlich einen Staat gründen können, sie haben ein Recht darauf, genau wie die Existenz Israels von der ganzen Welt anerkannt werden muß.


Solidarität mit Palästina!

Rede von Mohammed Afonneh, Palästinensische Gemeinde Köln

Meine Damen und Herren,
Freunde des palästinensischen Volkes,
Freunde der Freiheit und des Friedens,
Freunde des Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes.

Eine Besorgniserregende Entwicklung in Palästina: mit Schmerz und Wut beobachten wir das barbarische Vorgehen der Israelischen Streitkräfte dem palästinensischen Volk gegenüber. Stündlich erreichen uns Bilder über die verschiedenen Fernsehanstalten die, die Gräueltaten dokumentieren, welche von der israelische Armee an dem palästinensischen Volk und seiner Infrastruktur verübt werden. Die verschiedenen palästinensischen Dörfer und Städte sind von Tausenden israelischen Soldaten und deren Panzern umzingelt. U.S. - Apache Hubschrauber und Kampfflugzeuge, wie F-16 Kampfjets, bombardieren zivile Einrichtungen. Die israelische Armee dringt in palästinensische Häuser ein, plündert sie und nimmt Palästinenser zwischen 15 und 60 Jahren fest. Ein Teil davon wird ausgesondert und mit gezielten Kopfschüssen liquidiert bzw. hingerichtet. Die restlichen Gefangenen werden in Konzentrationslagern gesammelt und stundenlang, teilweise nackt, ohne Wasser und Nahrung stehen gelassen. Krankenhäuser werden durchsucht, um verletzte Palästinenser zu verhaften. Krankenhäuser werden beschossen und zerstört sowie auch Krankenwagen entgegen aller internationaler Konventionen nicht in die umzingelten Städte reinfahren dürfen. Die israelischen Soldaten lassen verletzte Widerstandskämpfer und Zivilisten vor den Augen ihrer Angehörigen verbluten.

Die großen Städte wie Ramallah, Nablus, Jenin und andere werden zu militärischem Sperrgebiet erklärt, so dass jegliche Journalistische Berichterstattung über die Massaker und Gräueltaten der israelischen Armee völlig untergraben wird. Über alle anderen Städte sind Ausgangssperren verhängt die, die palästinensische Bevölkerung daran hindert, die täglichen Einkäufe wie Wasser, Nahrung und Milch für ihre Kinder zu tätigen. Wasser und Strom sind unterbrochen.

Auch der gewählte Präsident des palästinensischen Volkes ist diesem Grauen ausgesetzt - er leidet genau so wie sein Volk. Präsident Arafat sitzt seit dem 28.03.2002 in der Ruine seines Amtsitzes fest, umzingelt von den Panzern der israelischen Armee.

Ist das, das neue israelische Verständnis von Frieden? Ist der Frieden nur über die Leiden der Palästinenser zu erreichen? Wer ist der Terrorist und wer verübt Staatsterror?

Die Situation der Palästinenser verschlechtert sich von Stunde zu Stunde. Man befürchtet die Ermordung Arafats und eine Extremlösung in Form der Vertreibung des palästinensischen Volkes in die benachbarten Arabischen Staaten und ein Blutbad an dem palästinensischen Volk. Sharon erklärt den Palästinensern den totalen Krieg, der von Bushs Administration unterstützt wird. Sein Ziel ist, die palästinensische Führung einzuschüchtern bzw. zu liquidieren, um eine alternative palästinensische Führung zu installieren, die bereit ist, auf die nationalen Rechte des palästinensischen Volkes auf Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu verzichten. Diese Rechnung von Sharon, dem Schlächter von Sabra und Shatila wird nicht aufgehen. Das palästinensische Volk ist gewillt, dieser Aggression zu begegnen und den Weg für ein Ende der israelischen Besatzung zu ebnen. Sharon ist mit seiner Politik der eisernen Faust nicht nur der Feind des palästinensischen sonder auch des israelischen Volkes, da er so niemals die versprochene Sicherheit und den Frieden nach Israel bringen wird. Die Palästinenser sind das einzige Volk dieser Erde, das Israel Sicherheit und Frieden anbieten und garantieren kann.

Meine Damen und Herren, Liebe Freunde Palästinas!
Um ein Ende dieser Israelischen Aggression zu erreichen, fordern wir:
  • Sofortige Umsetzung der Weltsicherheitsresolution vom 31.03.02, Nr. 1402, die Israel auffordert, sich sofort aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen.
  • Entsendung von UN-Schutztruppen nach Palästina
  • Sofortige medizinische und wirtschaftliche Hilfe für das palästinensische Volk.
  • Sofortiger Rückzug der Israelischen Besatzungsmacht aus allen besetzten Gebieten. Wir fordern weiterhin, das die Massenmedien eine objektive Berichterstattung in die Welt schicken, um ein wahres Bild der Geschehnisse zu übermitteln.
Wir appellieren an die Bundesregierung und die EU, endlich wirksamen Druck auf Israel auszuüben, damit es diese blutige Aggression stoppt und das recht des palästinensischen Volkes auf Freiheit und Selbstbestimmung anerkennt.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,
Die Hilferufe aus der umzingelten Geburtskirche so wie aus der Omar Moschee in Bethlehem sind zu hören. Ein ganzes Volk stirbt langsam während die freie Welt Verständnis für das Vorgehen des("auserwählten") Volkes und seines Generals zeigt.
Aber: schweigen und zuschauen ist gleich einer Mitschuld - so war es doch schon immer. Nicht wegschauen, sondern aktiv mitwirken, damit wir gemeinsam die Tragödie des palästinensischen Volkes beenden!

Freiheit für Palästina!
Israel: Hände weg von Arafat!
Solidarität mit Palästina!
Intifada bis zum Sieg!

Vielen Dank


"Köln steht an Eurer Seite!"

Rede von Fawzi Abu Ayyash, Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Bethlehem

Liebe Freunde,
am 28. September 2000 begann der bislang längste und blutigste Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung. Auslöser für diese Intifada war Ariel Scharon. Ariel Scharon marschierte begleitet von über 100 Soldaten und Sicherheitskräften in das höchste Heiligtum der Muslime, die Al Aksa-Moschee. Er tat dies, um die betenden Menschen zu provozieren. Er tat dies, obwohl er gebeten und gewarnt worden war, es nicht zu tun. Er tat dies, um ums zu dieser Intifada herauszufordern. Und – er wusste, was er tat!

Die Al-Aksa-Intifada und der brutale militärische Gegenschlag, zu dem die israelische Regierung sie genutzt hat, hat bisher über 1.600 Tote und 50.000 Verletzte gefordert. Ermutigt durch den "Krieg gegen Terror" der USA will Scharon seine Ziele mit militärischer Gewalt durchsetzen – und scheitert. Seit Wochen werden palästinensische Städte, werden Dörfer und Flüchtlingslager von Soldaten belagert. Kölns Partnerstadt Bethlehem ist besetzt – und soll es bleiben, selbst bei einem Rückzug des israelischen Militärs aus dem Westjordanland. Dies ist die dritte Wiederbesetzung Bethlehems. Und niemals zuvor war das israelische Militär so brutal, so gewalttätig wie dieses Mal.

Augenzeugen - meine Freunde und Verwandte - berichten mir aus meiner Heimatstadt. Im Gegensatz zu früheren Besetzungen ist die Stadt vollständig besetzt, das Militär ist überall, es ist vorgedrungen bis in die Innenstadt und das Zentrum der Altstadt. Die Geburtskirche wird seit über drei Wochen belagert und zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist die Geburtskirche zu Bethlehem von Panzern und Kanonen beschossen worden. Beschossen worden durch das israelische Militär. Türen der Kirche sind aufgesprengt worden und in der Kirche sind 37 Mönche und Nonnen gemeinsam mit 237 Palästinensern umzingelt und eingeschlossen. Einige sind verletzt, zwei sind mittlerweile verstorben. Ihre Leichen konnten erst am Donnerstag hinaus geschafft und begraben werden. Die israelischen Soldaten randalieren offenkundig bewusst und zerstören systematisch die Infrastruktur. Die zentrale Wasserleitung ist zerstört worden. Die Straße vom Madbasseh-Platz zur Geburtskirche ist mit Chemie-Granaten vermint worden. Der Madbasseh-Platz, der mit Kölner Hilfe und Geld renoviert worden ist, ist von Panzern zerstört. Der Stein des Kölner Doms, den wir dort vor drei Jahren als Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung errichtet und eingeweiht haben, ist ebenfalls zerstört. Selbst Krankenhäuser und Schulen werden angegriffen. Seit drei Wochen sind die Schulen geschlossen, das Schuljahr wird wahrscheinlich annuliert werden müssen, die Kinder sind traumatisiert und verängstigt. Über die Stadt ist eine totale Ausgangssperre verhängt, die nur alle drei Tage für zwei, drei Stunden aufgehoben wird, damit sich die Menschen mit dem Nötigsten versorgen können. Aber: Wasser gibt es keins mehr, Lebensmittel sind knapp, Medikamente kaum noch erhältlich. In ihrer Verzweiflung wenden sich die Menschen um Hilfe an die Kirchen. Aber auch die sind weitestgehend hilf- und machtlos. Der Pfarrer der Evangelischen Weihnachtskirche wurde in seinem Büro von israelischem Militär beschossen und dort festgesetzt. Er musste mit ansehen, wie israelische Soldaten in seinem Büro die noch nicht zerstörten Einrichtungsgegenstände demolierten und zerschlugen.

Den Menschen in Bethlehem, meinen Brüdern und Schwestern, Euren Freundinnen und Freunden werden mit brutaler Gewalt und systematisch die Lebensgrundlagen zerstört. Die Kinder in Bethlehem, die nicht mehr in die Schule gehen können, die mit ansehen mussten, wie ihre Klassenräume zerstört worden sind, wie die Bäume, die sie gepflanzt hatten, ausgerissen wurden, die vor Angst nicht mehr schlafen können, haben niemandem etwas getan. Die jungen Menschen in Bethlehem, die auch mit Kölner Hilfe dabei waren, sich eine Existenz und eine Lebensperspektive aufzubauen, mussten erleben, wie junge israelische Soldaten ihre Hotels und Werkstätten, ihre Existenzgrundlagen zerbombt haben. Bei soviel Zerstörung und Hoffnungslosigkeit besteht die Gefahr, dass die Jugend die Stadt verlassen will, wenn sie sich wieder frei bewegen kann. Aber das ist keine Lösung. Wir werden Ihnen helfen müssen, Bethlehem wieder aufzubauen, in Bethlehem in Frieden leben zu können.

Ich will, dass wir Scharons Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser, gegen meine Brüder und Schwestern, Eure Freundinnen und Freunde, nicht länger tatenlos zusehen und schweigen. Damit machen wir uns mitschuldig. An dieser Stelle will ich noch einmal an die Verantwortung der Deutschen auch für das Schicksal des palästinensischen Volkes appellieren und ich will auch noch einmal die Einhaltung der UN-Resolution einklagen Ein gerechter Frieden kann nur am Verhandlungs-Tisch gefunden werden. Ich fordere die Fortsetzung des Friedensprozesses!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde,
ich bin mir bewußt, dass diese Forderungen in erster Linie einen politischen, einen appellativen Charakter haben. Bis zu ihrer Umsetzung wird – wie man hier in Köln sagt – noch viel Wasser den Rhein runter fließen. Allein auf die "Große Politik" zu hoffen, hilft den Menschen in Bethlehem nicht. Diese Hoffnung wärmt nicht, stillt weder Hunger noch Durst, lindert keinen Schmerz und heilt auch keine Wunden. Hingegen hilft jede noch so bescheidene finanzielle Unterstützung. Die Menschen in Bethlehem hoffen auf unsere pragmatischen Schritte. Deshalb lade ich Sie herzlich ein, jeder möge sich im Rahmen seiner persönlichen Möglichkeiten einbringen.

In den letzten drei Wochen haben sich Bürgerinnen und Bürger aus Köln solidarisch mit den Menschen in Bethlehem gezeigt. Es gab Mahnwachen, es gab Friedensgebete, es gab einen großen ergreifenden ökumenischen Gottesdienst, getragen von den Gebeten der Kinder der Grundschule Irisweg. Es gab eine Lichterkette um den Dom – ein beachtliches Bild: im strömenden Regen standen die Menschen und Kinder um und vor dem Dom und leuchteten mit vierhundert Lichtern für den Frieden in Bethlehem.

Ich lade auch die Stadt Köln, die seit mehr als 5 Jahren eine offizielle Städtepartnerschaft mit Bethlehem unterhält, ein, sich aktiv an der Hilfe für Bethlehem zu beteiligen. Sicher, es gab einen ersten Schritt: Oberbürgermeister Schramma und der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates haben gemeinsam entschieden, dem Bethlehem Peace Center eine Starthilfe von 2.500 Euro aus der ProCent-Aktion zur Verfügung zu stellen, damit in Bethlehem dringend benötigte Grundnahrungsmittel wie Brot und Milch für die notleidende Bevölkerung gekauft werden konnten. Ich bin in Bethlehem geboren und deswegen befangen, diese Unterstützung mit Hilfsmaßnahmen der Stadt Köln für andere in Not geratene Partnerstädte zu vergleichen. Da wären Wolgograd, Corinto in Nicaragua und nicht zuletzt Tel Aviv in Israel zu nennen. Ich bin unserem 1. Vorsitzenden, Altoberbürgermeister Norbert Burger dankbar, dass er bei seiner Ansprache im Ökumenischen Friedensgottesdienst vor gut einer Woche in Maria im Kapitol diese Diskrepanz angesprochen hat. Ich darf ihn zitieren: "In diesem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern, dass die Stadt Köln, als unsere Partnerstadt Tel Aviv im Golfkrieg unter den Beschuss von irakischen Scut-Raketen geriet, schon nach drei Tagen eine halbe Millionen DM Wiederaufbauhilfe an unsere Freunde in Tel Aviv durch mich überbringen ließ". Zitat Ende.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,
wir sind im Vorstand des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Bethlehem weit davon entfernt, maßlose Erwartungen an die Stadt zu richten. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Köln sind bekanntermaßen schlecht. Doch wenn die Stadt selbst kein Geld hat, dann stände es ihr gut zu Gesicht, wenn sie bürgerschaftliches Engagement bündeln und finanzielle Unterstützung der Kölner Wirtschaft mobilisieren würde. Unsere Freunde, die Bläck Fööss, singen: "Echte Fründe ston zesamme". Deshalb gilt es in den nächsten Tagen und Wochen hier in Köln den Beweis zu führen, dass sich unsere Freunde in Bethlehem auch in schlechten Tagen auf uns verlassen können. Rufen wir den Menschen in unserer palästinensischen Partnerstadt zu: "Köln steht an Eurer Seite!"

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Eine minimale Moral für Stellungnahmen zum Nahost-Konflikt

Rede von Peter Bürger (Mitglied im Sprecherteam des "Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen und Christen")

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Schwierigkeit, in Deutschland zum Konflikt im Nahen Osten etwas zu sagen, soll angeblich etwas mit Moral zu tun haben. Deshalb möchte ich bei einem scheinbar fremden Thema anfangen:

Im Golfkrieg haben die USA uranhaltige Munition mit ihren Massenmordwaffen eingesetzt. Nun werden deshalb im Irak Jahr für Jahr unbeschreiblich missgebildete Kinder geboren. Sie sind oft erst gar nicht lebensfähig, andere sind zu einem unaufhörlichen Leidensweg verurteilt. Leukämie-Erkrankungen kommen hinzu. (Sie können aufgrund des Embargos nicht behandelt werden.)

Verantwortlich für diese unsäglichen Leiden ist nicht irgendein blindes Schicksal, auch nicht der Massenmörder Saddam Hussein, nein, verantwortlich ist der Kriegsherr im Golfkrieg, Bush senior, der Vater des derzeitigen US-Präsidenten.

Diesen Mann hat man in der vergangenen Woche in Deutschland geehrt. Eine Laudatio hielt der Außenminister, Herr Fischer. Ich meine: Solange man bei uns Leute, die als Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof gehören, ehrt und hofiert, solange sollte man das Wort Moral besser nicht in den Mund nehmen.

Was sind die Grundlage von "Zivilisation"? An diese Wurzeln müssen wir als Friedensbewegung unaufhörlich erinnern. Wir glaubten früher, das wäre Allgemeingut. Dann sind wir auf einmal böse erwacht und merkten: Alles kann man kaufen, auch die Moral. Ich möchte mit Blick auf den Nahost-Konflikt sieben Stichworte für eine Moral nennen, die sich mit Recht so nennen dürfte:

1. Vernunft: Politik statt Gewalt & Vergeltung

Die Politik Ariel Sharons hat dafür gesorgt, dass Menschen in Israel in nächster Zukunft so unsicher leben werden wie vielleicht nie zuvor. Was sich durch seine Politik an Hass eingenistet hat, das kann nach Menschenermessen eigentlich nicht geheilt werden.

Genauso hat der bewaffnete palästinensische Widerstand mit willkürlichen Bombenattentaten und unschuldigen Opfern seinen totalen Bankrott gezeigt. Mit Kalaschnikows und Sprengstoffsätzen wird es ein freies Palästina niemals geben.

Gruppenegoismus, Gewalt und Rache sind Programme aus der Steinzeit. Die einzige Weltmacht zeigt allen dieses Programm von vorvorgestern als Vorbild. Und so wie Sharon den Terror anstachelt, so arbeiten die USA im Supertempo daran, Hassgefühle in der ganzen Welt unendlich wachsen zu lassen.

Dazu noch eine aktuelle Anmerkung: Wenn Politiker im großen Maßstab den Einsatz von Massenmordwaffen gutheißen, dann können sie kein Vorbild für Jugendliche sein. Es genügt nicht, den Zugang zu Gaspistolen zu erschweren. Wir brauchen die Ächtung viel schlimmerer Waffen, die aller Menschlichkeit Hohn spotten.

2. Wir brauchen Wahrhaftigkeit

Die Augen - je nach Standort - halb, dreiviertel oder ganz zuzukneifen, das kann nie und nimmer etwas mit Moral zu tun haben.

Ariel Sharon wird nach Belegen bereits aus den 50er und 80er Jahren als Kriegsverbrecher vorgeführt. Das sehen viele Juden auf der ganzen Welt so.. und deshalb braucht man nicht so zu tun, als hätte man es mit einem ehrenwerten Politiker zu tun.

Die aktuellen Greueltaten des israelischen Militärs in Palästina bringen Vertreter der UNO zum blanken Entsetzen. (Im amerikanischen Fernsehen kann man darüber mehr sehen als hierzulande!) Wer diese Greuel um nur einen Deut verharmlost, der kann der Wahrheit nicht dienen.

Zur Wahrhaftigkeit gehört genauso die andere Seite: Israels Existenzrecht ist faktisch in der arabischen Welt nicht anerkannt. In Israel fallen Menschen willkürlichen, abscheulichen Mordattentaten zum Opfer. Punkt.

3. Ohne Einfühlung werden wir nichts verstehen

Sechs Millionen Juden sind in Europa durch deutschen Wahn systematisch ermordet worden. Das entspricht in Zahlen etwa der Größe des ganzen palästinensischen Volkes. Wer meint, "Ausschwitz" hätte mit der Gründung Israels und mit der Sehnsucht nach Sicherheit nichts zu tun, der hat nichts verstanden. Hier liegt unumstritten ein wichtiger Hintergrund: Viele suchten eine Bleibe auf diesem Planeten - und nun kann der Tod dort an jeder Straßenecke kommen.

Auf der anderen Seite ist ein Volk, das palästinensische, das vertrieben worden ist:
  • Generationen wachsen in Flüchtlingslagern auf
  • Seit Jahrzehnten sieht die Welt zu, wie Besetzung und Siedlungspolitik einen Palästinenserstaat nach UNO-Vorgaben mehr und mehr unmöglich machen
  • In allen Bereichen bis hin zur Wasserversorgung herrscht das Willkürrecht des Stärkeren, herrschen Waffen, nicht Menschen- und Bürgerrecht.
Wer nicht versteht, welcher ohnmächtige Hass daraus erwächst, auch der versteht gar nichts.

Heute gehen unsere Politiker nach Erfurt, um den Ort eines schrecklichen Amoklaufes zu besuchen. Das ist gut. Sie sollten jedoch genauso Gewaltschauplätze z.B. in Palästina besuchen und mit den Trauernden sprechen, bevor sie ihre diplomatischen Sonntagsreden halten.

4. Wir müssen parteiisch für alle Opfer von Gewalt und Militarismus sein - das ist unsere unbestechliche Unparteilichkeit

Weder in der Bibel, dem Buch Israels, noch im Koran steht, dass Gott israelische oder arabische, amerikanische oder afghanische Menschen geschaffen hat.

Es gibt nur den Menschen, und wer den missachtet oder tötet, der hat das Recht nie und nimmer auf seiner Seite.

Das gilt natürlich mit Blick auf Sprengstoffsätze palästinensischer Fanatiker. Wenn nun aber israelische Kugeln durch die Köpfe unschuldiger Menschen sausen und stinkende Leichenansammlungen produzieren, dann gibt es da genauso nichts, gar nichts diplomatisch zu beschönigen. Punkt.

5. Die Religion muss wieder verbinden statt als Ideologie missbraucht zu werden

Die fünfte Sure des Koran macht deutlich: Wer einen einzigen Menschen tötet, der tötet gleichsam die ganze Menschheit. Die Ideologen setzen dagegen ihre eigenen Interpretationen: Auf einmal ist es erlaubt, dass Kinder, die noch gar nicht gelebt haben, zum "Märtyrertum" verführt werden und sich mit Bomben in die Luft jagen. Auf einmal darf man unschuldige Menschen einfach töten. - Mit Ehrfurcht und mit Gott, der immer größer und weiter ist - als unser menschliche Fanatismus - hat das nichts zu tun. Ich halte - als Christ - dagegen den wunderbaren Ruf der Moschee: Allahu akbar. Gott ist größer!

Auf der anderes Seite haben Fanatiker in Israel ihren kostbarsten Schatz über Bord geworfen. Sie meinen, Abraham-Ibrahim wäre nur für ihren kleinen Horizont da. Sie vergessen, das alle Menschen nach ihrer Bibel die gleiche Würde haben und dass die Propheten Israels einen Frieden aller Völker ersehnten. Von Jesaja können sie lernen: Gerechtigkeit - und dann wird als Frucht Frieden im Land sein!

6. Wir müssen aber aufhören, nach Bushs Vorbild unendliche Gerechtigkeiten zu propagieren

In Israel und Palästina werden Widersprüche bleiben. Da liegen in der Vorgeschichte beider Völker schreckliche Lasten der Geschichte, die Palästinenser und Juden getroffen haben. Die kann man nicht auflösen.

Es wird keine absolute Gerechtigkeit geben. Wer kompromisslos immer nur das Unmögliche fordert, der kann keine Schritte des Friedens gehen. Wir brauchen Menschen in Israel und in Palästina, die das klar sehen und verstehen.

Mit Sharons Gefolgschaften und mit Hisbollah-Fahnen wird das schreckliche Schauspiel Nahost immer so weiter gehen. Wir aber sehnen uns nach etwas Neuem unter der Sonne.

7. Dafür sollten wir auf die Brückenbauer gucken

Es kam nicht so, wie es sich die Brückenbauer der ersten Generation erhofften. Zwei Gerechtigkeiten gibt es - untrennbar. So meinte der wunderbare jüdische Religionsphilosoph Martin Buber. Unter den Staatsgründern Israels herrschte die Überzeugung, die Leiden eines einzigen arabischen Kindes würden den Zionismus widerlegen.
  • In der israelischen Friedensbewegung reichen sich noch heute Juden und Palästinenser die Hände; es gibt Oasen, wo beide zusammen arbeiten und leben.
  • In diesem Umfeld wünschen sich palästinensische und israelische Eltern, dass ihre Kinder sich kennen lernen und sehen: Die sind ja Menschen wie wir.
  • Die Rabbiner für Menschenrechte haben vor zwei Jahren ein eindrucksvolles Schuldbekenntnis vorgelegt. Sie wollen nicht weiter zusehen, wie die israelische Politik die Palästinener unterdrückt, demütigt und Menschenrechte missachtet.
  • Mehrere hundert israelische Soldaten weigern sich, die Waffe auf ihre Menschengeschwister in Palästina zu richten.
Ich möchte mit dem Gruß eines Palästinensers in Syrien hier enden. Er sagt vor drei Wochen zu einem Mitglied unseres Ökumenischen Friedensnetzes: Shalom-Salaam, Salaam-Shalom, das ist doch das Gleiche.

Es gibt verschiedene Sprache, aber Frieden gibt es nur einen, und der ist nicht teilbar.