Berlin, 13.1.2002 - Schluß mit dem
imperialistischen Krieg! - Luxemburg-
Liebknecht-Demonstration
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Liebknecht-Luxemburg-
Demonstration

Aufruf zur Demonstration am Sonntag, dem 13. Januar 2002 um 10.00 Uhr vom U-Bhf. Frankfurter Tor zur Gedenkstätte der Sozialisten

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden vor 83 Jahren von der Reaktion ermordet. Unvergessen ist ihr mutiges Engagement gegen den Krieg. Es ist uns eine besondere Verpflichtung, die am 13. Januar 2002 im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung stattfindende Demonstration zu einer wirkungsvollen Antikriegsmanifestation werden zu lassen.

Wir verurteilen die grauenhaften Terroranschläge vom 11. September 2001. Zugleich wenden wir uns mit Entschiedenheit gegen den von Präsident Bush eingeleiteten ersten Krieg des 21. Jahrhunderts und seine Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland.

Wir demonstrieren gegen imperialistische Kriege. Der Balkan ist mehr als ein Pulverfass. Im Nahen und Mittleren Osten brennt es. Bürgerkriege an verschiedensten Stellen unserer Erde werden kaum mehr wahr genommen. Und überall geht es letztendlich um Kapitalinteressen. Krieg ist weltweit Fortsetzung der kapitalistischen Globalisierung mit den brutalsten Mitteln.

Wir demonstrieren gegen Nazis, Rassismus und Nationalismus. Wir werden bekunden, dass wir uns dem Antifaschismus, der internationalen Solidarität und dem Humanismus auf besondere Weise verpflichtet fühlen.

Wir wehren uns gegen Sozial- und Demokratieabbau sowie - heute mehr denn je - gegen staatliche Repressionen und sehen uns als Teil der Antiglobalisierungsbewegung. Mit Abscheu verurteilen wir das unmenschliche Vorgehen der italienischen Polizei in Genua aber auch die den Schusswaffengebrauch einschließende Gewalt der Polizeikräfte in Göteborg. Unsere Solidarität gilt den verurteilten Demonstranten. Genua wurde als ´Chilenische Nacht´ bezeichnet. Mit diesem Begriff ist die neue "Qualität" des äußerst brutalen Polizeieinsatzes auf den Punkt gebracht: Eine internationale, strömungsübergreifende Bewegung soll vernichtet werden; Angst soll lähmen, agent provokateurs liefern den Vorwand für furchtschürende Grausamkeiten bis hin zum Mord. Linke ziehen besonders aus diesen Ereignissen ihre Lehren.

Wir - Linke unterschiedlicher Strömungen - werden am 13.01.02 friedlich unsere Standpunkte und Forderungen bekunden. Wichtig ist vor allem, dass wir viele werden. Das verleiht unserer Ehrung und Demonstration nicht nur politisches Gewicht als Teil der Friedensbewegung; eine massenhafte Teilnahme erschwert auch die Wirkung von möglichen Provokationen. Wir rufen zu einem breiten Bündnis auf.

Am 15.01.02 findet der Zug vom Olof-Palme-Platz zu den Denkmälern von Karl und Rosa am Landwehrkanal statt.

Wir bitten Euch, den Aufruf verbreiten zu helfen und bundesweit für die Teilnahme an der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung am 13.01.2002 in Berlin zu mobilisieren.


Ruhe vor dem Sturm?

Artikel von Till Meyer und Harald Neuber in 'junge Welt' vom 14.1.2002

Liebknecht-Luxemburg-Demonstration bestimmt vom Krieg in Afghanistan. Kaum Polizeipräsenz

Pünktlich um zehn Uhr setzte sich der Zug der etwa 15000 Demonstranten vom Frankfurter Tor aus in Richtung der Berliner Gedenkstätte der Sozialisten in Bewegung. Vorneweg flatterten Dutzende Fahnen der DKP, und aus dem ersten Lautsprecherwagen erschollen Kampflieder von Ernst Busch. Dahinter zogen die verschiedenen Gruppen und Parteien der Linken aus allen Teilen der Republik. PDS-Sachsen, PDS-Mecklenburg-Vorpommern, aber auch der Motorrad-Club "Kuhle Wampe" war vertreten, in voller Ledermontur.

Schwerpunkt-Themen auf den zahlreichen Transparenten waren die aktuelle Kriegspolitik der Bundesregierung und der forcierte Sozialabbau der rot-grünen Koalition. "Wir verweigern dem Krieg unsere Zustimmung" oder "Gemeinsam gegen Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Krieg" waren einige der Losungen. Auffallend waren die vielen jungen Menschen, die das Gros des Demonstrationszuges bildeten.

Viele ausländische Gruppen waren vertreten, vor allem der türkischen Linken, aber auch Exil-Iraner und lateinamerikanische Gruppen. Die türkische Partei MLKP ließ hinter zahlreichen Stalin-Postern mit Sprechchören die Internationale Solidarität hochleben. Ein Anti-NATO-Block verteilte Flugblätter, auf denen die Bundeswehrsoldaten zum Desertieren aufgerufen wurden: "Für diesen Krieg keinen Mann und keinen Pfennig."

In den Demonstrationsreihen ging es trotz der Kälte fröhlich zu. Man begrüßte und umarmte sich, und viele tanzten im Rhythmus der Musik, die aus den vielen Lausprecherwagen schallte. Darunter hallten nicht nur die "Klassiker", sondern - als wolle man sich Mut machen - auch der Gaynor-Discohit "I will survive" durch die Straßen. Nicht ohne Hintergedanken, denn das Lied steht auf der Liste von 150 Liedern, die in den USA wegen "fragwürdiger Texte" nach dem 11. September aus zahlreichen Radiostationen verbannt wurde.

Die Polizei, in den Seitenstraßen massiv präsent, hielt sich aber gestern, anders als noch im vorigen Jahr, merklich zurück. Als der Zug nach einer Stunde Marsch über die Frankfurter Allee den Friedhof erreichte, kamen den Demonstranten bereits die ersten Besucher der Gedenkstätte auf dem Weg nach Hause entgegen. Bis zum Mittag, so vermeldete die Polizei, habe es keine Zwischenfälle gegeben.

Als die ersten Demonstranten gegen zwölf Uhr an der Gedenkstätte der Sozialisten eintrafen, hatten dort schon Tausende Menschen Blumen abgelegt. Bereits um neun Uhr hatte die PDS-Spitze die Toten geehrt, "weil das wichtig für das Selbstverständnis unserer Partei ist", so Gabi Zimmer im Gespräch mit junge Welt.

Dort, wo Zehntausende nicht nur gegen Krieg, sondern auch gegen Sozialabbau demonstrierten, waren kritische Stimmen zur PDS in diesem Jahr öfter zu hören. Nach Einschätzung von Tina Sanders, der Vorsitzenden der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, war die Zurückhaltung der Polizei "das letzte Geschenk der PDS an uns". Nach der Prognose der SDAJ werde sich die soziale und damit auch die politische Lage in den kommenden Jahren massiv zuspitzen, "nicht nur in Berlin".

Diese Gefahr sieht auch Gabi Zimmer: "Die Frage ist, ob es uns, anders als den Grünen, gelingt, eine Einbindung der Betroffenen in unsere Entscheidungen glaubhaft zu machen". Daran werde man die Rolle der PDS messen müssen. Auf das Urteil der Demonstranten im kommenden Jahr darf man gespannt sein.

Quelle: http://www.jungewelt.de