Köln, 30.10.2001 - Stoppt den Krieg!
Demonstration von StudentInnen und SchülerInnen
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Stoppt den Krieg! Steht auf für den Frieden!

Aus Pressemitteilungen zur Friedensdemonstration am 30.10.2001

Die Bezirksschülervertretung (BSV) und das Friedensbündnis der Kölner Studenten rufen gemeinsam zur Demonstration gegen den Krieg auf.

Das Friedensbündnis der Kölner Studenten und die BSV haben sich zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Zeichen für den Frieden zu setzen. sie fordern alle zur Demonstration 'Stoppt den Krieg' auf. Die Eröffnungkundgebung findet am 30. Oktober 2001 um 13 Uhr am Neumarkt statt. Um 12 Uhr beginnt vor sämtlichen Schulen in Köln und am Albertus-Magnus-Platz der Universität ein Sternmarsch zum Neumarkt.

Die entsätzlichen Anschläge vom 11. September 2001 sind keine Rechtfertigung für die militärischen Angriffe auf eines der ärmsten Länder der Welt. Schon jetzt haben die Vergeltungsschläge ein Flüchtlingsdrama für Millionen Menschen ausgelöst. Hunderttausenden droht der Hungertod.

Kölner Studenten und Schüler wollen nicht mehr einfach nur zusehen. Wir müssen Zivilcourage zeigen und dürfen nicht zulassen, daß unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung Grund- und Freiheitsrechte verletzt werden und noch mehr Hass und neuer Terror aufkommt. wir fordern eine zivlisierte Antwort der 'zivilisierten' Welt auf die Terroranschläge. Dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen, ist nur durch politische, soziale und ökonomische Maßnahmen möglich. Stehen wir gemeinsam auf für den Frieden!

Friedensdemonstration am 30.10.2001 mit Beiträgen des Kölner Kabarettisten Wilfried Schmickler und des Vietnam-Veteranen Darwell Summers

Das Friedensbündnis der Kölner Studenten und die BezirksschülerInnenvertretung erhalten breite Unterstützung für die Demonstration 'Stoppt den Krieg' am 30.10.2001 um 13.00 Uhr am Neumarkt. Der Kabarettist Wilfried Schmickler und Darwell Summers von den 'Vietnam-Veterans against War and Imperialism' haben bereits für einen Beitrag auf der Eröffnungskundgebung zugesagt. Außerdem werden sich ProfessorInnen, SchülerInnen und StudentInnen äußern.

Die StudentInnen und SchülerInnen treffen sich am Hauptgebäude der Universität zu Köln (Albertus-Magnus-Platz) und an den jeweiligen Schulen um 12.00 Uhr. Von dort aus begeben sich alle zu einem Sternmarsch an den Neumarkt. Nach der Eröffnungskundgebung am Neumarkt gehen alle gemeinsam über die Tunisstraße, Cäcilienstraße, Magnusstraße, Hohenzollernring bis zurück zum Neumarkt.

Zum Auftakt der Demonstration ist am Montag, 29.10.2001 ab 15.00 Uhr vor dem Albertus-Magnus-Platz eine Überraschungsaktion der Studenten geplant.

Kontakt:
E-mail: friedensbuendnis@web.de
Telefon: 0173/8117976 BSV, Özlem Demirel
0179/2219008 Friedensbündnis, Steen Meyer
0163/5890500 Friedensbündnis, Rosvita Krajinovic


Gründe gegen den Krieg - die Schuld des Westens an der Misere

Steen Meyer, StudentInnen-Vertreter, bei der Kundgebung auf dem Neumarkt

Es ist schön, hier zu stehen und zu sehen, wie viele Menschen gekommen sind, um für den Frieden aufzustehen.

Wir tun das nicht, weil wir die Taliban unterstützen, die Menschenrechtsverletzungen in diesem Land - Afghanistan - nicht wahrnehmen, sondern weil wir nicht noch mehr unschuldige Opfer durch diesen Krieg und seine Folgen wollen.

Jeder von uns hat die Anschläge vom 11. September mit Schrecken verfolgt - und jeder trauert um die Opfer. Doch auch jeder von uns sollte sich bewusst machen, dass ein Krieg gegen eines der ärmsten Länder der Welt dieses Problem nicht löst. Dieser Krieg schürt nur den Hass auf die westliche Welt, und schafft neue Konfliktherde. Hunderttausende Menschen haben die Opfer von New York betrauert - werden die Opfer dieses Krieges auch betrauert?

Schon jetzt sind Millionen Menschen auf der Flucht, wenn der Winter einbricht werden Hunderttausende sterben. Nur durch einen sofortigen Stopp der Bombardements auf Afghanistan kann eine humanitäre Katastrophe verhindert werden. Deswegen fordern wir den sofortigen Stopp des Krieges. Auch von unserer Regierung verlangen wir, ihren Kurs in dieser Frage neu zu überdenken, und zu ändern!

Wenn wir über Krieg und Terror reden, müssen wir uns der Begriffe auch klar werden. Ist nicht auch Krieg Terrorismus - Terrorismus eine Art des Krieges? Die eigentlich interessante Frage ist jedoch: was ist eigentlich Terror! Millionen Kinder, Frauen und Männer kämpfen jeden Tag in absoluter Armut ums nackte Überleben. Ich denke, AUCH das ist eine Art von Terror. Wir müssen diese Missstände bekämpfen - nur so können auch die Ursachen von Terrorismus bekämpft werden. Extremisten wie Osama bin Laden muss der Nährboden für ihre dogmatischen Theorien entzogen werden. Nur durch eine gesicherte Existenz der Menschen und Bekämpfung der Armut kann das geschehen.

Wir Deutschen selbst haben in unserer Geschichte gelernt, dass Völker in Zeiten in der Not zu einfachen und fanatischen Lösungen Zuflucht suchen. Wieder einmal neigen wir zur einfachsten Lösung. Wir sind zivilisiert - die anderen Barbaren. Doch der Schein trügt.

Die USA sind die größte terroristische Kraft auf der Welt. Weltweit unterstützten und unterstützen sie Putschisten, Terroristen und Guerillagruppen.
  • Sie haben diese Gruppen benutzt, um frei gewählte Regierungen zu stürzen und Regime zu installieren.
  • Dadurch wurden unzählige Zivilisten massakriert und Millionen Menschen vertrieben.
  • Am 11. September 1973 unterstützte der CIA Pinochet, die Allende-Regierung in Chile zu stürzen. Hinter der Machenschaft stand der Außenminister Henry Kissinger.
  • Das neue Regime unter dem General Pinochet ermordete mehrere 10.000 Menschen.
  • Die USA förderten rechte Guerillatruppen, wie Renamo in Mosambique und UNITA in Angola, unter denen ca. eine Million Menschen in Angola ihr Leben lassen mussten.
  • Die USA halfen den Kontras, die in den 80er Jahren von Honduras aus in Nicaragua und El Salvador einfielen.
  • Die Kontras vergewaltigten Frauen und schlachteten die Bevölkerung einfach ab. Allein in El Salvador starben um die 75.000 Menschen.
Die USA unterstützten solche Regime ausschließlich aus wirtschaftlichen Interessen.

70 % der Weltbevölkerung gehören schon jetzt zu den Verlierern der GLOBALISIERUNG! Sie werden von westlichen Konzernen und brutalen Diktatoren ausgebeutet. So lange wir mit unserer Politik der Gewissenlosigkeit weitermachen, werden wir Anschläge wie die vom 11. September wohl nur schwer verhindern können. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Menschen in der 3. Welt aufstehen und für ihre Rechte kämpfen werden.

Wir müssen endlich wieder die Augen öffnen - und die Realität sehen. Einzelne haben nicht den Mut oder die Kraft, doch zusammen können wir viel erreichen. Es kann und darf nicht sein, dass wir auf Kosten anderer unser leben so weiter führen.

Wenn Politiker die Westliche Welt als eine zivilisierte bezeichnen, sollten wir auch endlich zivilisiert handeln, und uns Gedanken machen, wie wir eine wirklich lebenswerte Welt für alle schaffen können.

Nach den Anschlägen in New York und Washington wird in Deutschland die Angst vor dem Terror geschürt. Selbst Parteien, die immer für die Rechte der Bürger einstanden, rufen nach mehr staatlicher Kontrolle.

Doch wem nutzt diese Kontrolle? Wenn Schily seine Anti-Terror-Gesetze vorlegt, kann selbst die CSU nur noch Beifall klatschen. Die Maßnahmen richten sich vor allem gegen unsere ausländischen Mitbürger und unser aller Freiheitsrechte.

Momentan gibt es eine Mehrheit der Bevölkerung, die die Einschränkungen unserer demokratischen Grundrechte befürwortet. Das entscheidende Argument: Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten. Doch die Realität sieht anders aus. Das Raster von Terroristen wie Mohamed Atta trifft auf Hunderttausende zu. Die Verschärfung der inneren Sicherheit trifft nicht die mutmaßlichen Terroristen - sondern alle Ausländer. Erfahrungen aus den 70er Jahren haben gezeigt, wie staatliche Repression aussehen kann. Zehntausende wurden zu Staatsfeinden erklärt und mit Berufsverboten belegt, nur weil sie das herrschende System in Frage stellten.

Nach Schilys neuer Vision, dem § 129 b, fallen politisch verfolgte Asylbewerber automatisch in das gleiche Raster wie potentielle Terroristen. Wir haben uns Rechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Schutz der Identität lange erkämpft! Und diese Rechte lassen wir uns nicht einfach nehmen!

Wir fordern politische, soziale und ökonomische Maßnahmen, um Terrorismus und dessen Ursachen zu bekämpfen.

Dieser Krieg ist unverantwortlich und kurzsichtig! Deswegen lasst uns gemeinsam gegen diesen Krieg demonstrieren - und ein Zeichen für den Frieden setzen!


Nibelungentreue aufkündigen

Prof. Norbert Finzsch, Anglo-Amerikanische Abteilung des Historischen Seminars der Universität zu Köln, bei der Kundgebung auf dem Neumarkt

Ich spreche heute zu Ihnen, weil ich der Ansicht bin, daß der Krieg der amerikanischen Armee und ihrer europäischen Alliierten in Afghanistan sofort beendet werden muß. Für meine Forderung gibt es verschiedene Gründe.

Zum einen kann ein Krieg, der mit Bomben und Flugzeugen gegen eine Zivilbevölkerung geführt wird, nicht den Terrorismus beenden. Der Terrorismus hat ökonomische, gesellschaftliche und politische Ursachen, die sich einer Bombardierung entziehen. Hier muß die Politik einer langfristigen Änderung das kurzsichtige Muskelspiel der amerikanischen Administration und ihrer Verbündeten ersetzen. Erlaß der Auslandsschulden, gerechtere wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Zentralen des westlichen Kapitals und den Ländern der wirtschaftlichen Peripherie und eine Politik der humanitären Hilfe sind hier angebracht, nicht eine Demonstration westlicher Zivilisation in Form von intelligenten Bomben und Cruise Missiles.

Zum zweiten ist dieser Krieg zutiefst zynisch, da er sich gegen die falschen Gegner richtet, nämlich die afghanische Bevölkerung, die unter einem Regime leidet, das die amerikanische Politik im wesentlichen mit installiert und zu verantworten hat.

Zum dritten ist dieser Krieg militärisch nicht zu gewinnen, weil einer Bevölkerung, die entschlossen ist, ausländischen Invasoren entgegen zu treten, mit High-Tech-Kriegen nicht beizukommen ist. Das sollten vor allem diejenigen Politiker verstehen, die Lehren aus dem Verlauf des Vietnamkrieges und des sowjetischen Krieges in Afghanistan gezogen haben.

Zum vierten wird im Windschatten eines vorgeblichen Krieges gegen den Terrorismus die innenpolitische Stärkung des Staates und die rassistische Ausgrenzung von Minderheiten betrieben, sowohl in den Vereinigten Staaten, wie auch in der Bundesrepublik Deutschland. Am Ausbau staatlicher Verfolgungsmittel beteiligen sich in Deutschland alle Bundestagsparteien mit Ausnahme der PDS. Der starke Staat, wie ihn Politiker von grün bis schwarz wünschen, beseitigt im Namen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus politische und verfassungsmäßige Rechte und höhlt das Grundgesetz, das seit den Notstandsgesetzen und der Terroristenhatz der 70er Jahre immer restriktiver interpretiert wurde, weiter aus. Auch in den Vereinigten Staaten steht eine Revision der verfassungsmäßigen Rechte auf dem Programm, an dem sich beide Parteien im Kongreß beteiligen, obwohl ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung diese Bestrebungen klar ablehnen. Im Zuge neuer Polizeigesetze und des erweiterten Rasterzugriffs auf in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer wird eine staatliche Diskriminierungspolitik implementiert, wird das Asylrecht weiter beschränkt, wird das Grundgesetz stärker zu einem Recht umdefiniert, das ausschließlich für Mitglieder eines exklusiven Zirkels von Deutschen gelten soll.

Zum fünften ist abzusehen, daß die Politik des Westens, gegen Afghanistan vorzugehen, indem er eine Allianz der undemokratischer Regime zusammenhält, zur Destabilisierung des Mittleren und Nahen Ostens führt und den Friedensprozeß in Palästina und Israel behindert. Allein aus realpolitischen Gründen müßte der amerikanischen Regierung daran gelegen sein, den Krieg zu beenden, bevor Pakistan noch tiefer in den Krieg verwickelt wird.

Aus den genannten Gründen richte ich hier und heute die Forderung an die Bundesregierung, der amerikanischen Administration die Nibelungentreue aufzukündigen und verlange eine sofortige Beendigung des Krieges in Afghanistan.


Von der Lizenz zum Plündern zur Lizenz zum Töten

Prof. Maria Mies (Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neo-liberale Politik) bei der Kundgebung auf dem Neumarkt

Das Bombardement Afghanistans, dieses geschundenen Landes am Hindukush durch die USA und England dauert jetzt schon vier Wochen an. Die Welt hat inzwischen akzeptiert, dass dieser Krieg ein gerechter Verteidigungskrieg der USA gegen den Terrorismus ist, selbst wenn, wie vorauszusehen war, dadurch vor allem die Zivilbevölkerung getroffen und zur Flucht getrieben werden würde. Und dass der Terrorismus mit Bomben nicht zu bekämpfen ist, muss auch den Militärstrategen in den USA und der NATO bekannt sein.

Warum also hat Präsident Bush, sofort nach dem 11. September "einen langanhaltenden Krieg gegen den Terrorismus" in allen Ländern erklärt? Warum haben ihm die Regierungschefs aller Nato-Länder sofortige und unbedingte Solidarität zugesprochen? "Wir sind alle Amerikaner" (Peerson - Schweden). Warum wollen sie diesen Krieg selbst trotz Winter und Ramadan fortsetzen, obwohl schon fast alles zerstört ist?

Diese Fragen können wir m.E. nicht beantworten, wenn wir den Zusammenhang zwischen der konzerngesteuerten, neoliberalen Globalisierung und den neuen "entstaatlichten Kriegen" (Otto Schily) nicht verstehen.

Zunächst: Was heißt Globalisierung wirklich?

Percy Barnevik - Chef v. ABB definiert Globalisierung als "die Freiheit für seine Konzerngruppe zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren was sie will, zu kaufen und zu verkaufen wo sie will und alle Einschränkungen aus Arbeitsgesetzen und anderen gesellschaftlichen Regulierungen so gering wie möglich zu halten."

Im Klartext: die Multis sollen machen dürfen was sie wollen und zwar überall auf der Welt. Die nationalen Regierungen haben die Pflicht, ihnen diese Freiheit zu ermöglichen, für ein gutes Investitionsklima zu sorgen und den internen Widerstand gegen diese globale Freihandelspolitik zu kontrollieren.

Diese LIZENZ ZUM PLÜNDERN (so haben wir diese neoliberale Globalisierungspolitik genannt) wird von internationalen Institutionen wie Weltbank, IWF und vor allem der WTO mit ihren verschiedenen Freihandelsabkommen abgesichert, konsolidiert und weiter ausgedehnt.

Es ist eine merkwürdige Ironie der Geschichte, dass die WTO, die bei ihrem letzten Treffen in Seattle in den USA, wo sie ein absolutes Fiasko erlebte, nicht zuletzt wegen der internationalen Protestbewegung gegen die WTO und ihre Ränkepolitik - (die WTO wurde auf einem Plakat in Seattle mit WORLD TERROR ORGANISATION übersetzt) - diese WTO will nun ihr nächstes Treffen ausgerechnet in Doha auf der Halbinsel KATAR im persischen Golf abhalten, weil sie sich in diesem diktatorischen Wüstenstaat sicher vor den Protestlern fühlt.

Bei diesem Treffen der 144 Mitglieder der WTO wird es nach dem Willen der EU, der USA und auch Japans um eine weitere, umfassendere Liberalisierung der Weltwirtschaft gehen. Vor allem sollen die öffentlichen Dienstleistungen GATS (Gesundheit, Bildung, Wasser, Verkehr u.a.) die bisher noch unter der Kontrolle gewählter Volksvertreter sind, für den internationalen Wettbewerb geöffnet werden.

Die Herren, die sich in Katar treffen werden, werden sich aber wohl kaum fragen, was dieser globale Freihandel mit dem Krieg zu tun hat, der in der selben Region tobt. Sie glauben nach wie vor den Beschwörungsformeln der neoliberalen Freihändler, nämlich:
  • Globaler Freihandel schafft Wachstum,
  • Wachstum schafft Arbeitsplätze,
  • so entsteht Wohlstand für alle.
  • Dies ist die Voraussetzung für Demokratie, Freiheit und Frieden im "Globalen Dorf".
Wer sich jedoch die Resultate dieser Globalisierung nach 10 Jahren ansieht, wird schnell eines Besseren belehrt: Überall zwischen den Ländern und innerhalb der Länder ist die Kluft zwischen Globalisierungsgewinnern und -verlierern größer geworden. Nicht nur in den armen Ländern des Südens, auch in den USA, Deutschland, England hat sich die Polarisierung zwischen Reich und Arm verschärft. Überall vor allem im Süden protestieren die Menschen gegen soziale Ungerechtigkeit, Zerstörung der Umwelt, wachsende Ausbeutung und Verelendung als Folge der "New Economy".

Vielleicht gravierender noch als dieser weltweite Protest gegen die konzerngesteuerte Globalisierung ist jedoch die Erfahrung in den sieben reichsten Ländern, insbesondere der USA, dass ihre Wirtschaft, trotz aller Freihändlerei, trotz der von der WTO abgesicherten LIZENZ ZUM PLÜNDERN in einer tiefen Krise, einer Rezension gelandet ist. Die Wachstumsdaten müssen überall nach unten korrigiert werden.

Was tun?

Solange der Kapitalismus existiert, wurden Wirtschaftskrisen oft durch Kriege gelöst. Nach dem Golfkrieg 1991 schrieb die amerikanische Ökonomin H. Henderson: "KRIEG ist gut für die Wirtschaft." Der Golfkrieg hat die US Wirtschaft aus der Flaute der 80er Jahre gezogen.

Gestern las ich in der "Frankfurter Rundschau", dass das Pentagon den "größten Rüstungsauftrag aller Zeiten" an den Rüstungskonzern Lockheed Martin vergeben habe, nämlich: 200 Milliarden Dollar zum Bau von 3000 neuen Superkampfjets, den Joint Strike Fighters (JSF). Dieser Rüstungsauftrag soll 30 Jahre laufen. Die FR titelte jubilierend: "In Nord-Texas knallten die Sektkorken." Der Bau des JSF bedeutet nicht nur Wachstum und tausende von neuen Jobs in der ganzen Region, sondern "Die Milliarden bedeuten Kaufkraft und Prosperität. An dem Projekt werden aber auch zehntausende Amerikaner in 27 US Bundesstaaten bei den Zulieferanten arbeiten" (FR 29.10.2001).

Ich verstehe jetzt, warum Herr Bush und seine Verbündeten einen "langanhaltenden Krieg" brauchen. 30 Jahre zumindestens. Krieg fördert die Rüstungsindustrie, Rüstungsindustrie schafft Wachstum, Arbeitsplätze, Prosperität. Wer denkt da noch an die Frauen und Kinder in Afghanistan, oder anderswo, die die Opfer dieser neuen Kriege werden. Das Hemd ist uns näher als der Rock.

Von der Lizenz zum Plündern zur Lizenz zum Töten oder: die Re-Kolonisierung der Welt.

Die Lockheed Geschichte zeigt, welchen ökonomischen Nutzen sich die Herrschenden von solch einem "langanhaltenden Krieg" versprechen. Doch das ist nicht die ganze Erklärung. Warum Afghanistan? Eine weitere ist die Kontrolle über die Öl- und Erdgasvorkommen am kaspischen Meer und das Projekt eine Pipeline durch Afghanistan und Pakistan in den indischen Ozean zu legen. Um ein solches Projekt zu realisieren, muss die ganze Region zunächst de-stabilisiert und dann - wie auf dem Balkan - zu einem Protektorat des Westens gemacht werden. Nur so kann auf Dauer, so kalkuliert man, die "Versorgungssicherheit" des Westens erhalten werden. Die Erhaltung der Versorgungssicherheit der NATO-Mitglieder, vor allem ihre Ölversorgung wird in der neuen NATO-Doktrin - nach dem Kosovo Krieg verabschiedet als eins der wesentlichen neuen Kriegsziele genannt. Ausserdem die Verteidigung der "westlichen Werte" gegen fundamentalistische Strömungen. In dem Weizsäcker-Papier der Bundeswehr, das dieser NATO-Doktrin folgte werden die nächsten Konfliktherde schon genannt: die Golfregion, das Gebiet um das kaspische Meer, die GUS-Staaten, Nordafrika. (Neuber 2000).

Der fundamentalistische Islam wird schon als neuer Feind genannt.

Freilich, die globalisierte Wirtschaft braucht neue Feinde und neue Kriege. Otto Schily nannte diesen Krieg einen "entstaatlichten Krieg". Der "entstaatlichte Krieg" ist die logische Folge der "entstaatlichten Wirtschaft". Was nicht heißt, dass der Staat abgeschafft wird. Im Gegenteil. Der Staat muss die Funktionen, die ihm der globale Freihandel bewusst gelassen hat, Sicherheits- und Militärpolitik - voll ausschöpfen. Jetzt, da wir im Krieg sind, können demokratische Grundrechte leicht aufgehoben werden. Kein Krieg nach außen ohne Krieg nach innen. Der staatenlose Terrorismus ist der ideale Feind für die neue ökonomische und militärische Strategie.

Gerechtfertigt werden die neuen Kriege durch die Notwendigkeit, die "Werte des freien Westens" zu verteidigen (s. Nato-Doktrin).

Als Feind Nr. 1 gilt der islamische Fundamentalismus. Doch was heißt Fundamentalismus wirklich? Die Zukurzgekommenen der Welt sind enttäuscht von den Versprechungen der französischen Revolution und der Aufklärung. Freiheit - Gleichheit und Solidarität für alle. Weder der Kapitalismus noch der Sozialismus haben diese Versprechen eingelöst. Sie erleben Profitgier, Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit, kulturelle Demütigung, Arroganz und Ignoranz der Herren dieser Welt wie nie zuvor.

Viele wenden sich dann den Wurzeln ihrer jeweiligen Religionen zu, oder dem, was sie dafür halten. Gemeinsam haben alle Fundamentalisten der Welt jedoch ob sie christlich, islamisch oder hinduistisch sind, dass ihre Rückkehr zu den Wurzeln vor allem in der patriarchalen Kontrolle der Frauen gesucht wird. Die Hindu-Chauvinisten wollen die Witwenverbrennung wieder einführen, die Islamisten, z.B. die Taliban wollen die Frauen total verschleiern und vom öffentlichen Leben ausschließen, die christlichen Fundamentalisten in den USA verbrennen Abtreibungskliniken.

Mit allen vernünftigen Menschen in der ganzen Welt fordere ich:
  • Sofortiges Ende der Bombardierung von Afghanistan.
  • Kein Krieg, keine Rüstung für Arbeitsplätze!
  • Weder Lizenz zum Plündern noch Lizenz zum Töten.
  • Ende der patriarchalen Kriegslogik, die den Krieg zum Vater aller Dinge macht.
Nicht die 'Anderen' sind unsere Feinde, sondern die Profitjägerei, Ausbeutung und Unterdrückung.


Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich noch ganz dicht?

Wilfried Schmickler, Kölner Kabarettist, bei der Kundgebung auf dem Neumarkt

Mensch ... haben sie es denn immer noch nicht begriffen. Wir leben in Zeiten der uneingeschränkten Solidarität. Da gibt es kein wenn und kein aber mehr, da gibt es nur noch ja und amen. Denn was in solch außergewöhnlichen Zeiten in erster Linie gebraucht wird, das ist eine völlig neue Einstellung. Also: alle Mann ab sofort das Denken neu einstellen. Am besten ganz.

Wobei das dem Becker nun wirklich nicht schwer fallen dürfte. Da spricht dieser Knollendorfer Sandkasten-Stratege hier immer noch von Krieg und dabei weiß doch jeder, mit Krieg hat die ganze Aktion so wenig zu tun wie sagen wir das Schrott einsammeln der Nato in Mazedonien mit der Entwaffnung der UCK.

Nein, das ist kein Krieg, das ist etwas ganz, ganz neues. Brot und Bomben! Da muß man erst einmal drauf kommen. Zuerst gibt es die 2200-Kalorien-Bombe mit Salzkräcker, Biscuit-Keks und Erdbeermarmelade, und kaum hat sich der Getroffene mit der beiliegenden Feuchtserviette den Mund abgeputzt, gibt es zum Nachtisch ein paar Streubombensplitter in den Magen. Devise: Leerer Bauch krepiert nicht gern!

Obwohl das jetzt auch wieder Quatsch ist. Denn das tolle an dieser Kampagne "Dauerhafter Frieden" ist ja, daß es Überhaupt gar keine Opfer gibt, also in der Zivilbevölkerung. Und wenn doch, dann sind es nur Erfindungen der gegnerischen Propaganda. Und deshalb werfen die Amerikaner jetzt auch haufenweise kleine Spezialradios über Afghanistan ab. Da kann sich dann der kollateral geschädigte Zivilist aus erster amerikanischer Hand darüber informieren, daß es ihn eigentlich gar nicht gibt.

In der nächsten Phase der Kampagne planen die Amerikaner jetzt den Abwurf von Rasierapparaten, Game-Boys und Coca-Cola-Automaten, um so dem fundamentalistisch verblendeten Durchschnitts-Afghanen die Segnungen der westlichen Zivilisation näher zu bringen.

Denn darum geht's doch im Endeffekt. Um die Zivilisation und ihre unvergleichlichen Errungenschaften. Ich sage nur: intelligente Waffen! Diese Waffen sind so intelligent, die sind in der Regel noch intelligenter als die Menschen, die sie bedienen. Wobei das bei so einem Komisskopf wie z.B Rudi Scharping nicht unbedingt eine besondere Leistung darstellt. Wie dem auch sei, aber was da zur Zeit rund um die Uhr tonnenweise auf Kabul, Kandahar und all die anderen afghanischen Trümmerhaufen niederregnet, das sind die reinsten Intelligenzbomben und dementsprechend ist jeder Abwurf so etwas wie ein Intelligenzbombentest.

Da fliegt so eine Bombe los und, man kennt das ja von Günther Jauch: dann hat die die Wahl zwischen a) Flughafen b) Krankenhaus c) Moschee und d) Nordallianz. Das ist dann jedesmal so etwas wie die 1 Millionen Dollar Frage. Und daß es da auch hin und wieder mal zu einer falschen Entscheidung kommt, das ist wie man so sagt "part of the game". Oder anders ausgedrückt: Irren ist bombig!

Aber jetzt mal defätistischen Scherz beiseite. Darf ich Sie mal was fragen, Sie da draußen an der kriegsbegeisterten Heimatfront? Nach neuesten Umfragen befürworten 70 Prozent von Ihnen die Militärschläge der Amerikaner gegen Afghanistan. Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich noch ganz dicht? Wie können Sie denn für etwas sein, von dem Sie absolut keinen Schimmer haben, was es in Wirklichkeit ist. Das wissen Sie doch spätestens nach dem Trauerspiel im Kossovo, alles was die Kriegsherren und Miltärstrategen an sogenannten Informationen freigeben, hat mit der Wahrheit soviel zu tun wie die Grünen mit dem Pazifismus.

Und apropos grün. Diese grünstichige, total nebulöse Wackelbilder-Suppe, die Ihnen Tag für Tag in den Nachrichten als Kriegsberichterstattung eingetrichtert wird, das ist doch die verlogenste Propaganda seit Einführung des Hufeisenplans. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich: ob sie jetzt zwei Stunden lang CNN gucken oder die gleiche Zeit in ihr Aquarium glotzen, das macht, was den Informationswert angeht, doch absolut keinen Unterschied.

Aber wie gesagt: in Zeiten der uneingeschränkten Solidarität gilt es, jede Art von kritischer Frage augenblicklich zu vergessen. Wenn Joschka Fischer zum Beispiel in den Iran fährt, um das dortige Terror-Regime auf Bush-Linie zu trimmen, dann muß man einfach mal vergessen, wie die herrschende Mullah-Mafia mit Regimekritikern und Oppositionellen umspringt. Da greift die gleiche Total-Amnesie wie beim Tschetschenfresser Wladimir Putin oder beim himmlischen Friedensstifter Jiang Zemin. Da muß man auch mal beide Augen zudrücken und über seinen Schatten springen.

Wie das beispielsweise die Grünen tun. Obwohl, die haben mittlerweile noch nicht einmal einen Schatten über den sie springen könnten. Die haben nur noch ihre Vorsitzende, die Claudia Roth, und die hat vorige Woche eine Feuerpause gefordert, um die notleidende Zivilbevölkerung zu versorgen. Und ich dachte immer, die Zivilbevölkerung wäre von den Angriffen gar nicht betroffen.

Wissen Sie was, Frau Roth, die einzige Pause, die Sie zur Zeit fordern sollten, wär ne Regierungspause.

Aber daraus wird garantiert nichts. Denn was im Krieg als allererstes auf der Strecke bleibt ist nicht die Wahrheit, sondern der Verstand. In diesem Sinne, schalten sie noch ein bißchen auf CNN oder gleich auf MTV, das macht eh keinen Unterschied. Schaden kann das eh nichts mehr.


Kölner SchülerInnen und StudentInnen gegen den Krieg

Reportage über die Demonstration vom 30. Oktober 2001 aus der Online-Schülerzeitung 'Der Schwamm'

"Alles was im Moment an Informationen über diesen Krieg existiert ist pure Propaganda. Wir wissen gar nicht, was in Wirklichkeit passiert! Und man muss schon ein ziemlicher Idiot sein, um für irgendetwas zu sein, von dem man gar nicht weiß, was es ist. Deshalb muss man erst einmal dagegen sein und fragen, was passiert eigentlich wirklich! Denn solange wir das nicht wissen, können wir auf keinen Fall dafür sein!" [Wilfried Schmickler, Kölner Kabarettist]

"Es gibt überall Terroristen; die ganze Welt steckt voller Terroristen. Und wenn man einen Krieg gegen die führen will, dann muss man einen Krieg gegen den ganzen Globus führen." So wie dieser etwa 60jährige Passant denkt wohl kaum einer der 1.500 anwesenden Schüler & Stundenten. Sie haben sich am 30.10. auf dem Kölner Neumarkt zusammen gefunden um ein Zeichen zu setzen gegen den Krieg, welchen die "Antiterrorkoalition" in Afghanistan vom Zaun gebrochen hat.

Etwa 1.000 Studis hatten sich schon geraume Zeit früher auf dem Albertus-Magnus-Platz zusammengefunden um ihren Kommilitonen zu zeigen, dass sich endlich etwas an der Kölner Uni tut. Nachdem der Asta es lediglich darauf hatte beruhen lassen, einen Artikel über die aktuelle Lage in seinem Asta-Blatt zu veröffentlichen, haben vier Kölner Studis selbst Initiative ergriffen. Zuerst verteilten sie zu viert Flyer, wuchsen jedoch schnell an und waren bei ihrem ersten Treffen schon zu hundert. In Kölner Friedenskreisen stießen die Studis auf große Anerkennung für die Planung einer Demo, so sagte z.B. Elvira Hoegemann vom Kölner Friedensforum: "Es ist ganz toll, dass auf Initiative der Studenten diese große Demo zustande gekommen ist und dass die Schüler sich angeschlossen haben. [...] Ich hoffe, dass es so weiter geht.". Auch Wilfried Schmickler, Kölner Kabarettist, schloss sich an: "Man hat so lange nichts von denen gehört. Da mach ich natürlich auch mit!".

Von der Uni zogen die Studenten über die Zülpicher Straße zum Neumarkt um sich dort mit den Kölner Schüler und Schülerinnen zu vereinigen. Hier fand auch die Auftaktkundgebung zur anschließenden gemeinsamen Demo statt. Gegen den Krieg plädierten u.A. Norbert Finzsch, Professor für anglo-amerikanische Geschichte an der Uni Köln, Maria Mies, ehemals Prof. für Soziologie an der FH Köln und nun aktive Globalisierungskritikerin, und Wilfried Schmickler. Vom Neumarkt zogen die Demoteilnehmer dann in einem großen Karree durch die Innenstadt um "Köln zu zeigen, was sie denken!".

Doch was denken sie eigentlich? Warum sind sie auf die Straße gegangen?

"Der erste Grund warum ich hier bin: Ich bin gegen den Krieg!" Damit hat wohl der gefragte Schüler den Grundtenor der Demonstranten auf den Punkt gebracht. Einigkeit im "wogegen" bestand verständlicherweise auf alle Fälle. Auf die Frage nach dem "wofür" erhält man jedoch eine Vielzahl verschieden Antworten:

Von "Das war 'n Straftat und die gehört vor den internationalen Gerichtshof. Ich habe etwas gegen Selbstjustiz!" über "Erst einmal sollte man der Zivilbevölkerung Beweise vorlegen, dann hat man auch mehr Rückhalt für die weiteren Handlungen!" zu "Die sollen jetzt einfach demokratisch und menschlich handeln", erhält man auch Antworten wie "Das kann ich jetzt nicht sagen.". Dabei ist auch gar nicht zu erwarten, dass es ein Patentrezept gegen gibt. Doch eine gemeinsame Linie gibt es dennoch und diese hat Gabriel, Mitinitiator, mit seinen Worten auf den Punkt gebracht: "Längerfristig müssen andere Lösungen her. Wirtschaftliche und soziale Unterstützung für die Länder der dritten Welt. [...] Wir fordern, dass die Leute gerecht behandelt werden und dass die humanitäre Katastrophe gelindert wird."

Ich für meinen Teil hoffe, dass sich nun nicht wieder ein lähmender Schleier auf die Kölner Uni und die Schulen legt, sondern dass der aufgebrauste Schrei noch lange wiederhallt.

Moritz, 31.10.01

Alle Fotos in diesem Bericht stammen von Arbeiterfotografie. Danke!

Quelle: www.schwamm.f2s.com