Köln, 16.8.2014 - Protest gegen Israels Gaza-Massaker - "Gerechtigkeit für Gaza, Gerechtigkeit für Palästina"Bilder

Schuldig der Anteilnahme

Rede von Karim Khayal

Liebe Mitstreiter und Freunde des palästinensischen Volkes,

Entgegen allen Anfeindungen, welche wir in den Medien und seitens der Politik ausgesetzt sind, wollen wir heute unseren Kritikern antworten. Wir antworten ihnen, indem wir sagen: ja wir sind schuldig. Wir werden heute hier und jetzt beichten und das, was uns vorgeworfen wird, nochmal klar betonen. Wir werden beichten und sagen ja: wir sind schuldig. Wir sind schuldig der Anteilnahme und dem Glaube an die Achtung der Menschenrechte. Wir sind schuldig daran, zu glauben, dass alle Menschen, egal welcher Religion oder welcher Hautfarbe, ein unabdingbares Recht auf Leben besitzen. Wir sind schuldig, immer noch an die UN-Deklaration der Menschenrechte und an die Genfer Konventionen zu glauben, daran, dass die zahnlosen Vereinten Nationen dazu da sind, den Geist der Brüderlichkeit und des internationalen Friedens zu schaffen und nicht nur als Spielgrund brutaler Staaten zu existieren.

Wir sagen unseren Kritikern: ja wir bekennen uns mit Stolz. Wir bekennen uns mit Stolz dazu, vielleicht naiv zu sein, immer noch zu glauben, dass das internationale Gesetz zu etwas mehr zählen muss und Staaten nicht das Recht haben, sich darüber hinwegzusetzen, wann und wo sie wollen. Die Missachtung internationaler Normen, und das sagen wir unseren Kritikern laut und deutlich, sind nicht die Lektionen, die wir aus dem Horror des zweiten Weltkrieges lernen sollten.

Wir sind schuldig daran zu glauben, dass der Mord an 1900 Zivilisten, mehr als 300 davon Kinder, die Zerstörung von 10.000 Wohnhäusern, 6 UN-Schulen, 12 Krankenhäusern, 141 Schulen, sowie die bewusste Zerstörung des einzigen Kraftwerkes eines belagerten Volkes und die Vertreibung von 240.000 Menschen durch gezielten Terror ein Verbrechen sind. Wir sind schuldig daran, von der Politik zu verlangen, dass sie nicht nur große Worte schwingt, um dann Ethnokratien wie Israel und absolutistischen Feudalstaaten wie Saudi Arabien Waffen in die Hand drücken, damit diese Menschen töten und foltern. Wir sind schuldig daran zu erinnern, dass Israel seit 1967 mehr als 90 im UN-Sicherheitsrat erlassene Resolutionen mit Füßen tritt.

Ja, wir bekennen uns schuldig. Schuldig, nicht schweigen zu wollen, wenn der Vizesprecher des Knessets, Moshe Feiglein, meint, die beste Lösung für den Gazastreifen wären Konzentrationslager und das Exterminieren feindlicher Palästinenser. Schuldig daran, Netanyahu einen Kriegsverbrecher zu nennen, wenn er von ihm zerfetzte palästinensische Kinder als telegen bezeichnet.

Wir sind heute hier, um daran zu erinnern, dass es nicht nur Männer mit Bärten und Kalaschnikows sind, welche bewusst Zivilisten massakrieren, sondern auch Männer wie Netanyahu, die an den besten amerikanischen Universitäten gelernt haben und teure Anzüge tragen. Die Demokratie und die Menschenrechte sind keine Einwegstraßen, welche nur durch westliches Gebiet verläuft, sonst würden sie nicht Menschenrechte heißen! Sie gehören allen Menschen! Allen Menschen!

Wir tragen mit Stolz die Schuld daran zu glauben, dass es kein menschliches Klassensystem geben darf, in der ein amerikanisches oder israelisches Kind mehr Wert besitzt als ein arabisches Kind. Wir tragen mit Stolz die angebliche Schuld, uns gegen Willkür, Hass und Ignoranz durchsetzen zu wollen und an das Gute im Menschen zu glauben.

Wir wissen sehr wohl um die Solidarität vieler Juden, welche sich in Brüderlichkeit und Solidarität mit den Palästinensern vereinen! Wir wissen sehr wohl, dass die Zukunft, die wir uns für Israelis und Palästinenser wünschen, nicht auf Stacheldraht und Beton gebaut ist! Wir sind schuldig daran zu glauben, dass Mauern und Checkpoints in unserer Zeit nichts mehr verloren haben! Wir sind schuldig daran zu glauben, dass Staaten die aufgrund von Religion und Ethnie diskriminieren, Staaten, die wahllos Zivilisten töten und Millionen von Menschen unter Gefangenschaft halten, nicht das Recht haben, sich als Demokratie zu bezeichnen. Für uns bedeutet eine Demokratie mehr als nur liberaler Schein und ein Dreimilliarden-Blankocheck der größten Vereinigten Verbrecherorganisation der Welt!

Wir werden immer und immer wieder kommen, um den Mächtigen und Feigen der Welt zu sagen: ja wir sind schuldig. Schuldig, all eurer Versagen anzuprangern, und wir sind stolz darauf. Wir sind stolz darauf! Wir glauben an Gandhis Worte, als es sagte, dass manch ein Mensch sich mit den Steinen, die nach ihm geworfen wurden, ein Monument gebaut hat. Werft weiter eure Steine! Werft sie! Wir stehen hier und verkünden stolz: wir sind stolz auf jeden einzelnen Stein, der nach uns geworfen sind, denn die Menschen in Gaza, die Menschen in Palästina brauchen unsere Unterstützung und unsere Solidarität.

Darum stehen wir heute hier, darum fordern wir ein bedingungsloses Ende der Besatzung und der Belagerung! Darum fordern wir, dass telegene Kriegsverbrecher in teuren Anzügen endlich die Hand der Gerechtigkeit fühlen, um zu wissen, dass das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht nur schöne Worte sind, die man sich eingerahmt an die Wohnzimmerwand hängt. Wir bewundern den Mut und den Wiederstand der Menschen in Gaza, doch wer kann den Widerstand, den Trotz und die Kraft der Palästinenser besser in Worte fassen als sie selber? Meine lieben Freunde, lasst mich hier zuletzt die Worte eines großen Politikers, Dichters und Kämpfers für die palästinensische Sache zitieren, die Worte des großen Tawfiq Ziad. Er hat die Kraft, den Mut und das Beharren der Palästinenser in seinem Gedicht "Hier bleiben wir" in wunderschönen Worten ausgedrückt:

In Lydda, Ramla und in Galiläa,
werden wir bleiben
wie eine Mauer auf eurer Brust,
und in eurem Hals
wie ein Stück Glas
Eine Kaktusdorne,
und in euren Augen ein Sandsturm

Wir werden bleiben,
eine Mauer auf eurer Brust,
wir werden die Teller in euren Restaurants waschen,
Getränke in euren Bars servieren,
die Böden eurer Küchen reinigen,
euch aus euren blauen Fangzähnen
einen Bissen entreißen für unsere Kinder

Hier werden wir bleiben,
Unsere Lieder singen,
zu den wütenden Straßen reden,
die Gefängnisse mit Würde füllen

In Lydda, Ramla und in Galiläa,
werden wir bleiben,
den Schatten der Feigen
und der Olivenbäume hüten,
die Rebellion in unseren Kindern entfachen
so wie die Hefe im Teig