Köln, 25.5.2010 - 'Griechenland ist überall - Die Eurokrise und ihre Hintergründe' - attac-Veranstaltung mit Werner RügemerBilder

Griechen aller Länder, vereinigt euch!

Analyse von Werner Rügemer in 'junge Welt' vom 24.02.2010

US-Banken, deutsche Konzerne und die EU tragen Mitverantwortung für die Verschuldung Griechenlands. Aber illegitime Verbindlichkeiten müssen und dürfen nicht zurückgezahlt werden. Argumente für den Widerstand

Die Europäische Union fordert von der griechischen Regierung einen rigorosen Sparkurs, damit die Staatsschulden schnell zurückgezahlt werden. Doch Griechenland ist nur der Anfang. Im verschärften Fortgang der staatlichen Bankenrettung wird auch in Deutschland von den öffentlich Beschäftigten eine Nullrunde gefordert. Privatunternehmen tun dies ebenfalls. Die Kommunen sollen die Daseinsvorsorge einschränken. Auch die Reste des Sozialstaats werden gerade in den reichsten Ländern der EU, Deutschland voran, infrage gestellt. »Griechenland« ist überall.

Versuchskaninchen Hellas

Griechenland kam nicht nach objektiven Gesichtspunkten in die Rolle des überschuldeten Staates, dem nun die Daumenschrauben der westlichen Bankenrettungsgemeinschaft angelegt werden. »Gerade das Griechen-Bashing angloamerikanischer Marktakteure steht in kurio­sem Kontrast dazu, daß Amerikaner und Briten ein ebenso hohes laufendes Staatsdefizit von mehr als zehn Prozent haben – mit dem Unterschied, daß sie, anders als die Griechen, nicht einmal versuchen, das Defizit bald in die Nähe von drei Prozent zu bringen« (Financial Times Deutschland, 12.2.2010). Der Anstieg der Staatsschuldenquote seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 beträgt nach OECD-Angaben für Griechenland 19,4 Prozent, für Frankreich 22,6 Prozent, für Japan 30,1 Prozent, für die USA 30,6 Prozent, für Großbritannien 36,2 Prozent und für das geheimnisvollerweise unkritisierte EU-Musterländle Irland sogar 53 Prozent. Auch in diesen Staaten ist ein Wirtschaftsaufschwung, der die wesentliche Grundlage für einen Abbau der Staatsschulden wäre, nicht in Sicht.

Es geht also gar nicht nach volkswirtschaftlicher Logik. Griechenland wird vielmehr mit allen medialen und psychologischen Mitteln diffamiert. Plötzlich wird abfällig vom maroden »Balkanland« gesprochen, von dessen »notorischer Korruption« und traditioneller Fälschung der Schuldenstatistik. Schnell wurde das erweitert auf die »Mittelmeerländer«, denen man nun ebenfalls eine mindere Staatsqualität zuschreibt, verbunden mit der Abkürzung PIGS für Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Die Reihenfolge könnte auch heißen Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, also GIPS. Aber die Buchstabenfolge PIGS ist zufällig passender, denn PIGS heißt englisch eben Schweine. Gern darf auch »Schweinegrippe« assoziiert werden. Mit Griechenland hat die westliche Wertegemeinschaft damit nun schon vier Finanzschweine, die auf dem Bankenaltar öffentlich geschlachtet werden sollen, als erste, zum Eingewöhnen. Formal gesehen ist das eine medienpsychologisch durchaus prima Leistung.

»Statistikfälschungen«

Dem griechischen Staat werden Statistikfälschungen vorgeworfen. Sie gehören aber zum Wesen der neoliberalen Praxis, sei es bei der Zahl der Arbeitslosen oder bei den Staatsschulden. Allerdings läßt sich nicht so eindeutig von »Fälschungen« sprechen, da sich die Manipulationen in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Bei Steuerhinterziehung über ausländische Finanzoasen sprechen Banken und Wirtschaftsprüfer ja auch von »Steuergestaltung«.

Die heute global wichtigen Finanzoasen wie der US-Bundesstaat Delaware, die Cayman Islands und Luxemburg sind voll mit Hunderttausenden »Special Purpose Entities« oder »Conduits«. Auf deutsch heißen sie »außerbilanzielle Zweckgesellschaften«. Über sie wurden und werden die meisten krisenverursachenden Finanzprodukte juristisch abgewickelt. »Rhineland Funding« und »Rhinebridge« etwa hießen sie bei der IKB und hatten ihren Sitz in Wilmington/Delaware. Die IKB war die erste Bank, die in Deutschland im Sommer 2007 in die Insolvenz zu gehen drohte, wenn sie nicht auf Initiative von Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, durch die Bundesregierung mit zehn Milliarden Euro gerettet worden wäre. Die Deutsche Bank hatte diesen IKB-Einzweckgesellschaften verbriefte US-Immobilienkredite verkauft und der IKB dafür auch noch die Kredite gegeben. Und da diese Einzweck-Tochtergesellschaften nicht in der IKB-Bilanz standen, wollen Aufsichtsrat der Bank und die Finanzaufsicht des Staates nichts bemerkt haben. Derartige Manipulationen sind »legal« und eine wesentliche Ursache der Finanzkrise.

Die EU-Staaten tolerieren und fördern nicht nur solche Praktiken bei Banken, Hedgefonds und »Heuschrecken«, sondern sie praktizieren das auch selbst. In Deutschland sind staatliche Schattenhaushalte seit 1990 Routine. Es begann mit der Treuhandanstalt. Gegenwärtiges Beispiel: Der »Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung« (SoFFfin) ist aus dem regulären Bundeshaushalt ausgegliedert. Mit Zustimmung der EU weisen auch die anderen Mitgliedsländer ihre staatlichen Ausgaben für die Bankenrettung nicht in ihren offiziellen Haushalten aus.

Eine weitere Statistikfälschung bzw. -»gestaltung« sind die in der Regel 30 Jahre laufenden Mietverträge nach dem Muster »Public Private Partnership« (PPP). Sie werden von der EU gefördert, die Europäische Investitionsbank (EIB) gibt dafür günstige Kredite. Die Verträge sind in Wirklichkeit verdeckte Schulden, sie werden in die Zukunft verlagert und tauchen im offiziellen Haushalt nicht auf (vgl. Profit ohne Risiko. Public Private Partnership: Die Plünderung des Staates, jW-Thema v. 30.1.2010).

Unrechtmäßige Kreditvergabe

Illegitime Schulden – im englischen Sprachraum werden sie »odious debts« genannt, häßliche Schulden – sind solche, bei denen die Kreditgeber eine wesentliche Mitverantwortung dafür haben, daß die Schulden so hoch sind und nicht regulär zurückgezahlt werden können. Denn bei Krediten sind bekanntlich immer zwei Parteien beteiligt, Kreditnehmer und Kreditgeber.

Das Konzept »illegitime Schulden« entstand zunächst für sogenannte Entwicklungsländer, in denen Banken und Konzerne mit Diktatoren und Unrechtsregimes zusammenarbeite (te)n: Die Umstände der Kreditvergabe sind unrechtmäßig; dazu gehören etwa Selbstbereicherung der Kreditgeber und -nehmer, überdimensionierte Planungen, Verletzung von Menschenrechten, Geldwäsche, Steuerflucht. Die »Aktion Finanzplatz Schweiz« bezieht dies z. B. auf die Vergabe von Krediten durch Schweizer Banken an das damalige Apartheidregime in Südafrika: Die Geldinstitute haben die Regierungspartei heimlich bespendet und das UN-Embargo umgangen (www.afp.ch). In Südamerika und Asien sind die Entschuldungsnetzwerke LATINDADD und AFRODAD aktiv. Ziele sind Zinsmoratorium und/oder Schuldenerlaß (www.erlassjahr.de). Die Argumente sind teils rechtlich, teils moralisch. (1)

Inzwischen ist die Situation, die früher für »Entwicklungsländer« galt, weltweit gegeben. Auch alle »entwickelten« Staaten der westlichen Bankrottgemeinschaft sind so überschuldet, daß bei keinem irgendeine Aussicht besteht, die Schulden jemals im irdischen Leben dieser Staaten regulär zurückzuzahlen. Dies gilt auch für die politischen und wirtschaftlichen Führungsländer USA, Großbritannien und Japan: Deren Verschuldung ist weit höher als im EU-Durchschnitt, aber nirgendwo gibt es einen Rückzahlungsplan. Nach der Bankenrettung hat sich dies noch verschärft. Zinsen werden mit neuen Krediten bezahlt. Trotzdem vergeben die Banken ständig weitere ungesicherte Kredite: Der Kreislauf mit Kreditversicherungen, die dann selbst zur Handelsware werden, der die große Finanzkrise verursacht hat, wird wie am Objekt Griechenland erneut in Gang gesetzt.

Dieses Verfahren gründet allein auf der Voraussetzung, daß die Beschäftigten, Steuerzahler, Rentner, Arbeitslosen usw. für die Schuldentilgung aufkommen und verarmen, daß die öffentliche Infrastruktur privatisiert wird, daß Sozial- und Rechtsstaat ausgehöhlt werden. Diese tödliche Logik, die auch dem Euro zugrunde liegt, muß durchbrochen werden. Widerstand ist begründet, notwendig und legitim. Die Nichtrückzahlung von Verbindlichkeiten nach dem Konzept der illegitimen Schulden kann man auch als Konkretisierung des Mottos »Wir zahlen nicht für eure Krise« verstehen.

Kriterien für illegitime Schulden

Nachfolgend werden einige Kriterien für illegitime Schulden im Hinblick auf Griechenland präzisiert. Die Angaben sind gegenwärtig bruchstückhaft und müssen ergänzt werden.

Bankenbeihilfe zur Statistikfälschung: Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat Griechenland 2001/2002 geholfen, die Staatsschuld statistisch herunterzudrücken. Das Motiv war, für den Beitritt zur Eurozone die wahre Haushaltslage des Landes zu verschleiern. Die Bank, die dafür 300 Millionen US-Dollar an Provisionen bekommen haben soll, kaufte dem Staat Dollar- und Yen-Schulden in Höhe von zehn Milliarden Dollar ab und tauschte sie langfristig in Euro. Dieser Cross Currency Swap war ein verdeckter Kredit, der bilanziell nicht erfaßt wurde.

Die US-Investmentbank JP Morgan und die United Bank of Switzerland (UBS) kauften zum selben Zeitpunkt dem Staat Griechenland zukünftige Lotterieeinnahmen und Autobahngebühren ab – dadurch kam kurzfristig Geld in die Staatskasse im »Tausch« für spätere Mindereinnahmen: Die Haushaltslage wurde zum Kaufdatum geschönt, die später ansteigende Verschuldung ausgeblendet.

Beihilfe zur Statistikfälschung: Dies geschah mit Wissen der EU, für die solche Praktiken zum geförderten deregulierten Finanzsystem gehören. Zwar wollte 2005 EU-Währungskommissar Joaquín Almunia die Angaben überprüfen lassen; Kommissionspräsident José Manuel Barroso entschied jedoch dagegen. Seit 2004 stellte Eurostat, das Statistikamt der EU, die griechischen Angaben und den Goldman-Deal in Frage. Aber aus politischen Gründen sollte an der Mitgliedschaft Griechenlands nicht gerüttelt werden. Athen hatte 2003 die EU-Ratspräsidentschaft inne, unter der Akropolis wurde im Zuge der »Osterweiterung« die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedsstaaten gefeiert.

Korruption: Wie bei Krediten sind auch bei Korruption immer zwei Parteien beteiligt. Ein Korrupti-Paar besteht aus dem Schmiergeldnehmer und dem Schmiergeldgeber. Richtig, griechische Regierungen und staatliche Unternehmen waren korrupt, aber dazu gehörte immer ein westlicher Gegenpart. Das gilt insbesondere seit den Generälen, die 1967 wegen des bevorstehenden Wahlsiegs der Demokratischen Linken mit Billigung der NATO putschten, bis 1974 das »Obristen-Regime« führten und von den westlichen Waffenlieferanten umsorgt wurden.

Westliche Konzerne sicherten sich Großaufträge mit Hilfe von Bestechung. Nehmen wir nur Siemens: Seit den 90er Jahren zahlte der Konzern pro Jahr 15 Millionen Euro Schmiergeld in Griechenland. An Manager der staatlichen Telefongesellschaft OTE wurden 85 Millionen gezahlt, um an milliardenschwere Aufträge zu kommen. Um den für das Sicherheitssystem der Olympischen Spiele 2004 in Athen an Land zu ziehen, bestach Siemens Mitarbeiter verschiedener Ministerien (Süddeutsche Zeitung, 27.6.2005). Die beiden Parteien PASOK (»sozialistisch«) und Nea Dimokratia (»konservativ«) sollen jährlich ihren Anteil von jeweils zwei Prozent des Umsatzes der OTE-Telefonsparte ausgezahlt bekommen haben (Der Spiegel, 28/2009). Ähnliches wurde vom französischen Rüstungskonzern Thales bekannt (Le Monde, 27.9.2005). Das war auch in Bankenkreisen geläufig und gehörte zu den Geschäftsbedingungen bei der Vergabe von Krediten für solche Projekte.

Diese Praxis bestätigte einer, der es wissen muß: Jorgo Chatzimarkakis, Europaabgeordneter und Parteivorstandsmitglied der FDP, zugleich Präsident der deutsch-hellenischen Wirtschaftsvereinigung. Gegen die Kritik an Siemens erklärte er: »Das war unternehmerische Realpolitik! Wenn Deutschland Exportweltmeister bleiben will, dann muß es die rosarote Brille abnehmen.« Bestechung müsse zugelassen und steuerlich gefördert werden (Süddeutsche Zeitung, 15.12.2006).

Täuschung über die Rückzahlungsfähigkeit: Goldman Sachs hat seit 2002 für Griechenland den Verkauf von Staatsanleihen im Gesamtwert von 15 Milliarden Dollar organisiert. Die Bank kannte die angespannte Haushaltslage Athens, hat aber die Käufer nicht in allen Anleiheprospekten darauf hingewiesen. Goldman Sachs hat somit die Verschuldung Griechenlands gefördert, die wirkliche Lage verschleiert und die Rückzahlung der Anleihe gefährdet – die eine Milliarde Provision für Goldman war für die Investmentbank offenbar wichtiger. Großanleger prüfen nun das Vorgehen von Goldman Sachs, Klagen sind möglich – während die EU nicht prüft.

Griechenland ist vor allem bei Banken aus denjenigen Staaten verschuldet, deren Unternehmen die meisten – eben auch korruptiv beförderten – Aufträge bekamen. Die Kreditgeber aus Deutschland sind insbesondere Deutsche Bank und die Allianz, daneben die bekannten Pleitebanken Commerzbank, Eurohypo und Hypo ­Real Estate (HRE). Sie alle haben Kredite vergeben, ohne auf die Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands zu achten.

Deregulierung: Am 8.12.2009 stufte die Ratingagentur Fitch die Bonität des griechischen Staates Von »A-« auf »BBB+« herab, nach einer Woche tat die Agentur Standard & Poor’s dasselbe. Die EU unternimmt keine eigene Bewertung des Zustands der Finanzen von Mitgliedsstaaten. Vielmehr stützt sie sich wie vor der Krise auf die nach wie vor unregulierten Ratingagenturen, die im Interesse der Kreditgeber handeln. Die Herabstufung bedeutete: Letztere konnten ab sofort 2,9 Prozent mehr Zinsen nehmen; das ist doppelt soviel wie bei Deutschland. Zugleich bedeutete das: Hedgefonds und andere Spekulanten sind losgelassen. Die bisherigen Kreditgeber und Staatsanleihenbesitzer kaufen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS); die Banken, die solche Versicherungen verkaufen, kassieren steigende Prämien.

Mit den steigenden Zinsen wächst die Verschuldung Griechenlands noch schneller; um unter diesen Bedingungen neue Kredite zu bekommen, steigen die Zinsen noch weiter ... Zugleich investieren die Finanzakteure in Staatsschulden, weil hier die Rendite höher ist und vergeben weniger Kredite an Unternehmen (Börsenblatt, 19.2.2010). Folge: Die Wirtschaftsentwicklung wird gebremst, der Staat nimmt noch weniger Steuern ein.

Wieder dabei ist übrigens der Versicherungskonzern American International Group (AIG): Er hatte vor der Krise für das Versichern Zehntausender spekulativer Kredite ebenfalls Prämien kassiert, aber keine Rücklagen für den Versicherungsfall gebildet. Er »mußte« deshalb vom US-Staat gerettet werden, damit u. a. die Deutsche Bank ihre elf Milliarden US-Dollar für die faulen Kredite ausbezahlt bekam, die sie ohne eigene Sicherheiten spekulativ vergeben hatte.

EU, Europäische Zentralbank und die beteiligten Regierungen und Nationalbanken (z. B. Deutsche Bundesbank) haben auch nach der Finanzkrise die Ratingagenturen und Hedgefonds nicht reguliert und sind somit mitschuldig an der wachsenden Staatsverschuldung Griechenlands. »Es wäre gar nicht so weit gekommen wie jetzt, hätten Angela Merkel und ihre Freunde schon im Herbst klargemacht, daß sie von der griechischen Regierung zwar einen vernünftigen Abbau des Staatsdefizits einfordern, sich ansonsten aber jedem Versuch entgegenstellen, das Land in den Ruin zu spekulieren« (Financial Times Deutschland, 12.2.2010).

Goldman – oder wer regiert?

Der Fall Griechenland legt die bisherige (Fehl-)Konstruktion der Europäischen Union und des Euro besonders drastisch offen und ist deshalb auch bedeutsam für grundlegende Änderungen in Europa. Laut Lissabon-Vertrag darf kein Euro-Land für die Schulden eines anderen geradestehen. »Warum hat man diese Doktrin nicht auch auf die Banken angewandt, die einzig für den eigenen Profit und zum Nachteil der Öffentlichkeit gehandelt haben? Von den Griechen verlangt man nun, daß sie den Gürtel enger schnallen. Dabei laufen diese Sparmaßnahmen sogar der Konjunkturförderung entgegen«, konstatiert der französische Ökonom Jean-Paul Fitoussi (FR-online, 11.2.2010).

Die Logik des Euro bedeutet: Die Finanzwirtschaft dominiert, den Staaten bleiben nur Lohn- und Steuerdumping und Privatisierung. Nach diesem Konzept hat schon die Weltbank Dutzende von »Entwicklungsländern« in Überschuldung, Stagnation, Armut und zu korrupten Eliten zurück»gespart«. Die Logik kommt im Fall Griechenlands auch dadurch zum Ausdruck, daß der Ex-Goldman-Banker Petros Christodoulou zum neuen staatlichen Schuldenmanager ernannt wurde.

Argentinien stoppte 2001 die Rückzahlung der unter dubiosen Umständen an eine extrem neoliberal orientierte Vorgängerregierung (Carlos Menem) vergebenen Kredite und wertete seine Währung ab: Das brachte den Banken zwar herbe Verluste (sie gingen deshalb nicht pleite), dem argentinischen Staatshaushalt aber verhalf dies zu einer Erholung und der Wirtschaft zu einem Aufschwung.

Die wichtigste Voraussetzung für Schuldenabbau und geringere neue Darlehensaufnahme ist die wirtschaftliche Belebung, sind neue Produktion, neue Dienstleistungen, neue Arbeitsplätze, neue Kaufkraft und neue Steuereinnahmen des Staates. Mit anderen Worten: Die griechische Staatsverschuldung begann in einem weiteren Sinne nicht mit der Herabstufung durch die Ratingagenturen, »sondern in den Lohnbüros der deutschen Unternehmen« (Die Zeit, 14.2.2010). Höhere Einkommen für Beschäftigte und Erwerbslose in Deutschland und die Abwehr von Kürzungen in Griechenland sind also nicht nur im Interesse der Deutschen und der Griechen, sondern aller Europäer.


1 Lis Füglister/Stefan Howald, Illegitime Schulden, Verschuldung, Menschenrechte, Basel 2005; Max Mader/André Rothenbühler, How to Challenge illegitimate Debt. Theory and Legal Case Studies, Zürich 2009


Quelle: jungewelt.de