Köln, 6.5.2009 - Vorstellung des Entwurfs für ein Denkmal zu Ehren der Wehrmachtsdeserteure mit Ludwig BaumannBilder

„Wir waren bis 2002 vorbestraft“

Anneliese Fikentscher über die Vorstellung des Entwurfs für das Deserteursdenkmal

Am 6. Mai stellte die Ratsfraktion DIE LINKE.Köln im Kardinal-Frings-Saal des Kölner Rathauses die Entwürfe für ein Denkmal zur Erinnerung an die Deserteure des Zweiten Weltkriegs vor – darunter der am Ende erfolgreiche Wettbewerbsbeitrag des Schweizer Künstlers Ruegi Baur zusammen mit Denis Coueignoux, der vor dem Gerichtsgebäude am Kölner Appellhofplatz in Sichtweite vom NS-Dokumentationszentrum bis zum 1. September 2009 aufgebaut werden soll.

Ohne Punkt und Komma: „Hommage den Soldaten die sich weigerten zu schiessen auf die Soldaten die sich weigerten zu schiessen auf die Menschen die sich weigerten zu töten die Menschen ...zu foltern ... zu denunzieren ... zu brutalisieren ... diskriminieren ... auszulachen die Menschen die Solidarität und Zivilcourage zeigten als die Mehrheit schwieg und folgte". Dieser in ein farbiges Buchstabenspiel getauchte Schriftzug wird als Dach einer Pergola über dem Boden schweben, Sonnenlicht durch sein bedeutsames Buchstabengeflecht auf dem Boden spielen und die Passanten veranlassen, den Blick zu heben. Es ist der von einer prominent besetzten Jury einstimmig favorisierte Wettbewerbsbeitrag für das Denkmal für Deserteure, Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz in Köln. Dieser eine unter insgesamt 14 Entwürfen von bekannten und jungen Künstlerinnen und Künstlern stammt von dem Schweizer Ruegi Baur, realisiert mit Denis Coueignoux.

Die Jury, der als Gast der Kölner Grafikkünstler Willi Hoelzel beiwohnte, zeigt sich erleichtert, dass nun „mit diesem Entwurf ein dem schwierigen Thema angemessenes Denkmal realisiert werden kann. Sie formuliert zugleich die Hoffnung, dass möglichst bald auch die letzten Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz rehabilitiert werden". Sein Standort wird in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Appellationsgerichts und der gegenüberliegenden Arbeits- und Folterräume der Gestapo sein - dem heutigen Sitz der Gedenkstätte des Museums NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

So hoffnungsvoll dieser Entschluss für die Realisierung eines Denkmals auch stimmt, der Weg dahin war so weit und steinig, dass die meisten dieser Opfergruppe in Unwürden längst verstorben sind. Einen der letzten überlebenden Deserteure des NS-Staates, Ludwig Baumann, hatte die DIE LINKE Köln zur Vorstellung der Ergebnisse des Wettbewerbes ins Kölner Rathaus geladen. Die Fraktion trägt einen wesentlichen Anteil daran, dass es überhaupt zur Bewilligung von Geldern und zu einer Kunst-Ausschreibung durch die Stadt Köln gekommen ist. 2006 hatte DIE LINKE gegen die Stimmen der CDU, der FDP und natürlich auch von “Pro Köln“ in einer hitzigen Debatte um finanzielle Mittel im Kölner Rat am Ende erfolgreich gerungen.

Eine Projektgruppe aus fünf Mitwirkenden machte sich an drei Quellen an die Ausforschung der Kölner Opfer: von zwölftausend Akten im Freiburger Militärarchiv wurden bisher zehntausend Vorgänge gesichtet. In den Akten der Divisionsgerichte, von denen drei für Köln - je nach Frontlage wechselnd - zuständig waren, konnten 104 Fälle mit Köln-Bezug ausfindig gemacht werden. Als dritte Quelle diente eine Todesurteilskartei, die eine Auflistung über die Todesurteile und über die Hinrichtungsorte darstellt. Malle Bensch-Humbach: „Wir haben bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass in Köln kräftig hingerichtet wurde." Das bedeutete Tod durch Guillotine im Gefängnis Klingelpütz. Die bisher bekannte Zahl der Hinrichtungen von Deserteuren in Köln beträgt 71. Unter dem Fallbeil rollten 50 Köpfe...

Ludwig Baumann: „Wir haben nach dem Krieg ja gedacht, unsere Handlung würde anerkannt werden, aber wir sind nur als Feiglinge, als Kriminelle, als Verräter beschimpft und bedroht worden, bis wir an diesem Staat verzweifelt sind." Schlimmer noch, so Baumann: „Die Richter haben nach dem Krieg Karriere gemacht. Sie sind aufgestiegen bis zu Bundesrichtern. Sie haben die Nachkriegsrechtsprechung entscheidend mitgeprägt... Hätten sie uns rehabilitiert, hätten sie wohl befürchten müssen, selber angeklagt zu werden. Nicht einer ist bestraft worden. Wir aber waren bis 2002 vorbestraft." Die Aufhebung der Urteile gegen Deserteure gelang erst im Jahr 2002 mit Unterstützung eines Antrages im Bundestag, der von der PDS gestellt worden war. Wenn am 1. September 2009, dem 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen, die Einweihung des Denkmals stattfindet, wird Ludwig Baumann dabei sein – als Ehrengast.