Köln, 5.3.2008 - ver.di-Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr - 8 Prozent mehr Gehalt - mindestens 200 EuroBilder

Jetzt sind wir dran!

Rede der ver.di-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt

Liebe Kolleginnen und Kollegen

9,4 Prozent mehr – das ist ein Angebot – leider nur für unsere Bundestagsabgeordneten. Die werden aber bekanntermaßen genau so wie Ihr aus dem Staatssäckel bezahlt. Da hat es im letzten Jahr keine Debatte um leere Haushaltskassen gegeben, als sie sich selbst bedient haben.

Auch wenn es um Prestigeobjekte geht, oder wenn es mal eben mehr als eine Milliarde Euro aus Steuermitteln zur Rettung der IKB-Bank o.a. Unternehmen geben soll, deren Manager versagt und säckeweise Geld verbrannt haben –spielen die leeren Kassen keine Rolle mehr.

Kolleginnen und Kollegen – welchen Stellenwert hat die Daseinsvorsorge in Deutschland? Ist die nicht erhaltenswert? Habt Ihr, die täglich und teilweise rundum die Uhr dafür sorgen, dass Kranke und Bedürftige gepflegt werden, Kinder in den Tagesstätten lernen, der öffentliche Nahverkehr läuft und die uns in Verwaltungen in vielen Lebensbereichen helfen, weniger verdient?

Ist Eure Arbeit, euer Einsatz, ist die Verantwortung einer Krankenschwester oder eines Busfahrers anders zu bewerten als die eines Bundesabgeordneten? Der einzige Unterschied ist doch wohl der, dass ihr nicht wie Abgeordnete noch ein paar tausend Euro nebenher verdienen könnt.

Kolleginnen und Kollegen – wir sind heute nicht hier, wie die Arbeitgeber gerne darstellen, weil wir einen Streik vom Zaun brechen wollen, sondern weil die Provokation der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst unerträglich ist. Wer Tarifverhandlungen wie PR-Gags inszeniert und meint, er könne uns über den Tisch ziehen, der muss schon früher aufstehen.

Nach außen fünf Prozent posaunen und unterm Strich ein Minusgeschäft durchsetzen wollen - das hat mit seriöser Tarifpolitik nichts zu tun. Was wir wollen, ist ein gerechter Tarifabschluss. 8 Prozent sollen es sein, 200 Euro mindestens und die Übernahmegarantie für die Auszubildenden. Die Beschäftigten im öD wollen endlich auch am Aufschwung in Deutschland teilhaben.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für deutliche Einkommens-verbesserungen sind vorhanden. Die Steuereinnahmen sprudeln. Gleiches gilt für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2008, dass wie in den Vorjahren auf die Steigerung des Exports begründet wird. Die Inlandsnachfrage stagniert weiter, deshalb sind spürbare Erhöhungen der Löhne und Gehälter absolut notwendig.

Das Argument der leeren Kassen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens kann nicht ziehen. Die sollten ja auch ohne die Steuermehr-einnahmen eigentlich schon längst aufgefüllt sein. Der selbsternannte NRW-Arbeiterführer Rüttgers und seine Koalition haben es gleich zu Beginn ihrer Regentschaft vertraglich vereinbart.

Die Gemeindefinanzreform sollte das Ziel, „einer Verstetigung der Einnahmen der Kommunen“ herbeiführen. Da ist von „finanziellen Handlungsspielräumen“ und „Handlungsfähigkeit als Voraussetzung für die Existenz kommunaler Selbstverwaltung“ in der Koalitionsvereinbarung die Rede. Und das Ergebnis – bisher nur heiße Luft.

Ihr alle sorgt dafür, dass die kommunale Selbstverwaltung funktioniert – nur mit dem gerechten Lohn hapert es noch.

Sollen die Verantwortlichen doch bitte bei Herrn Rüttgers vorstellig werden, statt zu versuchen, das Geld bei Euch einzutreiben.

Nun zu den ehrenwerten Herren der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA.

Die haben vor der Tarifrunde im November 07 ein Positionspapier verbreitet, aus dem deutlich wird, wie da gedacht wird. Ich fasse das Papier mal sinngemäß zusammen:
  • Für die Fehler der Politik und die Finanzmisere sind die Beschäftigten im öffentlichen Dienst verantwortlich
  • Die solide Finanzausstattung des kommunalen öffentlichen Dienstes und seiner Unternehmen muss durch Lohnverzicht erreicht werden
  • Weil im öffentlichen Dienst nicht wie in der letzten Klitsche geheuert und gefeuert wird, müssen die Beschäftigten aus Dankbarkeit noch Geld mitbringen
  • Weil die Beamten gezwungen wurden, länger zu arbeiten, ist die VKA für Gleichbehandlung – mit den Beamten natürlich, wen wundert‘s
  • Für Leistungsbezahlung kommt mehr Geld in den Pott. Hört sich gut an und erhöht die Prozente. Nur ausgezahlt werden, soll das Geld natürlich nicht an alle.
  • Die Beschäftigten in kommunalen Krankenhäusern sollen eigentlich gar nicht mehr Geld bekommen. Für schlechte Betriebsergebnisse ist nicht etwa das Management verantwortlich, oder für die Deckelung der Finanzierung nicht die Politik, sondern das Pflegepersonal. Deshalb werden die sicheren Arbeitsplätze dort auch ständig weiter abgebaut.
  • Und jetzt wörtlich „Das Prinzip der Kostenneutralität ist zu wahren“. Was im Klartext heißt: Eure Lohnerhöhung müsst ihr Euch selbst bezahlen. Die VKA gönnt euch nichts, null – obwohl in den Haushalten schon Lohnerhöhungen eingeplant sind.
Die Version dieser geplanten Minusrunde hat die VKA in einem Satz zusammengefasst, die einen dann schon zornig machen kann. Zitat aus dem VKA-Papier:“Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind an der allgemeinen Lohnentwicklung angemessen zu beteiligen.“

So, so, der Herr Präsident Dr. Böhle und seine Strategen sind also der Meinung NICHTS wäre für Euch angemessen.

Dieses VKA Papier ist eine Kampfansage an alle Beschäftigten. Und das Angebot der Arbeitgeber in den Verhandlungsrunden eine schlichte Provokation.

Eine stufenweise Erhöhung um 2,5 und 1,0 und 0,5 % für eine Laufzeit von zwei Jahren entspricht materiell einer Einkommenssteigerung von 2,15 %. Damit steht fest, dass das sogenannte Angebot noch nicht einmal die erwartete Preissteigerungsrate ausgleichen würde.

Die Arbeitgeber muten uns also Realeinkommensverluste zu und das bei dem Nachholbedarf aus den letzten 3 Jahren, in denen es nur Einmalzahlungen gab.

Aber damit nicht genug: das sogenannte Arbeitgeberangebot ist weniger als Nichts. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber von Bund und Gemeinden sollt ihr die völlig unzureichenden Lohnsteigerungen auch noch selbst durch eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit finanzieren.

Die beabsichtigte Verlängerung der Wochenarbeitszeit im kommunalen Bereich entspricht einer Lohnsenkung von 3,75 %. Damit würdet ihr die Lohnsteigerung nicht nur selbst finanzieren müssen, sondern auch noch einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen ermöglichen.

Und da erdreisten sich die Arbeitgeber, allen voran Herr Böhle in den Medien: sie wären bis an die Grenzen des machbaren gegangen, sie hätten ein respektables Angebot gemacht. Wohlgemerkt...

wir reden darüber, dass ihr auf Geld verzichten sollt. Der gleiche Böhle rechnet dann der Financial Times Deutschland vor, dass die Kommunen durch unsere Streiks finanziell kaum geschädigt werden.

Kolleginnen und Kollegen, welche Führungsqualitäten haben diese Verhandlungsführer der VKA eigentlich? Kann es wirklich sein, dass sie darauf setzen, die Medien und die Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Den Medien erklären sie, dass 2,5 + 1,0 + 0,5 + (0,5 + 0,5 leistungsbezogen nicht für alle) – 3,75 = 5 machen, jedes I-Männchen weiß, dass es für solche Berechnungen nur eine Note gibt – die lautet 6, setzen Herr Böhle.

Sie rechnen vor, dass wir sie mit den Warnstreiks nicht finanziell treffen, und versuchen gleichzeitig damit die Bevölkerung gegen uns einzustimmen. Schäuble, Böhle und seine Kumpane haben sich in ihre Strategie verrannt, sie schwadronieren in den Medien herum und setzen darauf, dass sie sich in den Verhandlungen nicht bewegen müssen.

Offensichtlich spekulieren sie schon jetzt mit einem Schlichtungs-verfahren. Wie sonst sollten wir die Mitteilung deuten, dass sie die Wochenarbeitszeit nun kündigen wollen.

Das jetzige Resümee der Verhandlungen ist einfach: Sie bieten nichts an, reden stundenlang um den heißen Brei und täuschen die Öffentlichkeit durch falsche Darstellungen.

Von seriösen Verhandlungspartnern erwarten wir, dass es fair zugeht und wir zu einem gerechten Ergebnis kommen. Wenn die Arbeitgeber meinen mit dem Kopf durch die Wand zu müssen, werden sie sich nicht nur eine blutige Nase holen. 8 %, 200 € Mindestbetrag und die Übernahme der Azubis, dass ist unsere Forderung.

Die Mehrheit ist auf unserer Seite – vergesst das nicht. Erzählt den Eltern in den Kitas, was ihr in diesem Job verdient, sagt den Patientinnen und Patienten in den Kliniken, den Fahrgästen der KVB mit welchen Nettolöhnen ihr eure Familie durchbringen müsst, erklärt den BürgerInnen und Bürgern, wie es aussieht in der Müllentsorgung und den anderen Berufen im öD, mit wie wenig Menschen ihr welche Dienstleistungen erbringt – und alle werden auf unserer Seite sein.

ALLES WIRD TEURER –unser Arbeit AUCH! Deshalb werden wir keine Ruhe geben, bis ein gerechtes Tarifergebnis auf dem Tisch liegt. Die diesjährige Tarifrunde ist nicht allein eine Auseinandersetzung zwischen den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und den öffentlichen Arbeitgebern.

Die Tarifrunden in diesem Jahr ob im Handel, in der Papierverarbeitung, bei der Post oder in der Chemieindustrie entscheiden über die Ernsthaftigkeit von Politik und Arbeitgebern, die Menschen am wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes teilhaben zu lassen.

Arroganz und Ignoranz werden wir – wenn notwendig – mit flächendeckenden Streiks in allen Bereichen des öffentlichen Lebens beantworten.

Wir wollen kein Geplänkel am grünen Tisch mehr – wir wollen Ergebnisse, die sich sehen lassen können.

Und hier in Köln können wir es mit einem Hit der Höhner deutlich machen:

Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wenn nicht hier, sag mir wo und wann?
Wenn nicht wir, wer sonst?

Jetzt sind wir dran! Liebe Kolleginnen und Kollegen - viel Erfolg für unsere gemeinsame Tarifrunde.