Köln, 5.6.2004, 'Stop the Wall in Palestine' - Internationale Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und IsraelBilder

Den Mauerbau in Palästina unverzüglich stoppen!

Kölner Erklärung

Die am 17. Januar 2004 in Köln versammelten Mitglieder aus der Friedensbewegung und der Bewegung für internationale Solidarität erklären:

Die israelische Regierung betreibt mit Hochdruck den Bau einer Mauer, die sie als "Trennungszaun" bezeichnet -tatsächlich aber annektiert sie damit de facto fast 50 % der besetzten palästinensischen Westbank. Damit verstößt Israel ein weiteres Mal gegen das Völkerrecht und fügt Hunderttausenden von Palästinenserinnen und Palästinensern in den besetzten Gebieten, deren Menschenrechte es bereits durch die Okkupation schwer wiegend verletzt hat, weiteres Unrecht hinzu.

Diese Mauer ist kein Beitrag für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Sie intensiviert die Gewalt, die durch die Besatzungsherrschaft gegen die palästinensische Bevölkerung ausgeübt wird. Daher wird sie auch der Bevölkerung Israels nicht die angekündigte Sicherheit bieten können, sondern nur erneut Gegengewalt provozieren. Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen und den verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten beider Seiten den Nährboden entziehen.

Gemeinsam mit unseren palästinensischen, israelischen und internationalen Partnern in der "Kampagne gegen die Apartheidmauer" setzen wir uns für einen gerechten Frieden in der Region ein. Für einen solchen Frieden ist ein Ende der israelischen Besetzung und Besiedlung die unabdingbare Voraussetzung.

Wir wollen
  • gewaltlose Kampagnen israelischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Errichtung des "Trennungszaun" unterstützen,
  • die deutsche Öffentlichkeit über das mit dem Mauerbau verbundene Unrecht und die dagegen gerichteten Aktivitäten informieren,
  • auf deutsche und EU-Instanzen dahingehend einwirken, dass Waffenexporte in die Krisenregion Nahost völlig eingestellt und Handelsbeziehungen daraufhin überprüft werden, inwieweit sie menschen- und völkerrechtlich vertretbar sind.
Durch entschiedene Unterstützung der Kräfte in Israel und Palästina, die für ein gleichberechtigtes, friedliches Zusammenleben beider Völker eintreten und kämpfen, können wir als Europäerinnen und Europäer einen wichtigen Beitrag gegen Hass, Verzweiflung und Gewalt im Nahen Osten leisten und so nicht nur in dieser uns benachbarten Region, sondern auch weltweit den Frieden unterstützen.

Im Juni diesen Jahres werden wir zusammen mit unseren internationalen Partnern auf einer Konferenz den Stand der Entwicklung und die Perspektiven der Arbeit für den Frieden in Nahost erörtern.

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Kölner Erklärung (nur Organsiationen und Gruppen):
  • AK Palästina Tübingen
  • Arbeitskreis Israel/Palästina e.V. Bonn
  • Arbeitskreis Nahost Berlin
  • Attac AG Globalisierung und Krieg
  • Bonner Arbeitskreis für internationale Solidarität
  • Bonner Friedensbündnis
  • Braunschweiger Bündnis für den Frieden
  • Bundesausschuss Friedensratschlag
  • Deutsch-Palästinensische Gesellschaft
  • Deutsch-Palästinensischer Frauenverein e.V.
  • Deutscher Freidenker-Verband
  • Flüchtlingskinder im Libanon e.V.
  • Frauen für den Frieden in der EKvW (Evangelische Kirche von Westfalen)
  • Frauen in Schwarz Hamburg
  • Frauen in Schwarz Köln
  • Frauen in Schwarz Wien
  • FrauenNetzwerkNahost Stuttgart
  • Friedensinitiative Palästina, Kassel
  • Vorstand des Projekts Freundschaft Birzeit-Münster e.V.
  • Gush Shalom Deutschland
  • Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg
  • Initiativ e.V.
  • IPPNW e.V.
  • ISM Deutschland
  • Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (EJJP Deutschland)
  • Kampagne gegen die Apartheidmauer in Palästina
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie
  • Kooperation für den Frieden
  • Redaktion der kommunistischen Internet-Zeitung www.Kommunisten-online.de
  • Najdeh e.V.
  • Palästinensische Gemeinde Berlin-Brandenburg
  • Palästinensische Gemeinde Deutschland e.V.
  • Pax Christi - Gruppe Norderstedt
  • Pax Christi Nahostkommission der deutschen Sektion
  • Nahost-AG des Service Civil International (SCI) - Deutscher Zweig e.V.
  • AG SPD-SeniorInnen Stuttgart (ASS)
  • Spontaner Friedenskreis Jung & Alt - Bonn
  • Vereinigung der Freunde Palästinas in Sachsen-Anhalt e.V.
  • Vereinigung für Internationale Solidarität (VIS) e.V.
  • Wir Frauen e.V. Düsseldorf
  • Zegg (Zentrum für Experimentelle Gesellschafts-Gestaltung)
Quelle: www.freepalestine.de


Programm

der Konferenz 'Stop the Wall in Palestine'

Die Panels der Konferenz beginnen jeweils mit den Beiträgen der Referentinnen und Referenten, danach ist Raum für Nachfragen und Diskussion.

Begrüßung:
  • Palästinensische Gemeinde Deutschland und Gush Shalom Deutschland, für die Veranstalterinnen und Veranstalter
  • Sharif M. Omar Khaled, Pengon/Anti-Apartheid Wall Campaign
Panel 1: Aktuelle Situation des Mauerbaus in Palästina und die Auswirkungen
  • Hasan S. Ayoub, Direktor des Nationalen Büros für den Schutz des Landes und den Widerstand gegen Siedlungen
  • Moshe Zuckermann, Leiter des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität Tel-Aviv
  • Dr. Victoria Waltz, Dozentin an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund
  • Moderation: Dr. Ludwig Watzal, Dozent, Universität Bonn
Panel 2: Perspektiven für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel
  • Dr. Salman H. Abu Sitta, Koordinator des Komitees für das Rückkehrrecht des palästinensischen Volkes
  • Prof. Amnon Raz-Krakotzkin, Jewish Studies Ben-Gurion-University, derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin
  • Noah Salameh, Leiter des Zentrums für Konfliktlösung und Versöhnung in Bethlehem
  • Amos Gvirtz, Israelisches Komitee gegen Häuserzerstörung
  • Moderation: Sophia Deeg, Journalistin
Mittagspause

Panel 3: Verantwortung Deutschlands und Europas im israelisch-palästinensischen Konflikt
  • Felicia Langer, Rechtsanwältin und Autorin
  • Dr. Norbert Blüm, Bundesminister a.D.
  • Fanny-Michaela Reisin, Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost / European Jews for a Just Peace EJJP (Deutschland)
  • Moderation: Rüdiger Göbel, Tageszeitung Junge Welt
Panel 4: Kampagnen und Aktionen - was tun?
  • Sharif M. Omar Khaled, Pengon/Anti-Apartheid Wall Campaign
  • Dana Rubin, Black Laundry
  • Heidi Niggemann, International Solidarity Movement ISM
  • Moderation: Prof. Dr. Andreas Buro, Komitee für Grundrechte und Demokratie
Grußworte (zwischen den Panels):
  • Reuven Moskovitz
abends: Musik, Tanz und Speisen Samir, palästinensischer Sänger und Lautespieler Shuli Grohmann, israelische Tänzerin und Sängerin Al Quds, palästinensische Folkloretanzgruppe libanesische Sängerin

Quelle: www.freepalestine.de


Referate und Moderation

der Konferenz 'Stop the Wall in Palestine'

Referentinnen und Referenten / Speakers Moderatorinnen und Moderatoren / Moderators Quelle: www.freepalestine.de


Veranstalter und Unterstützer

der Konferenz 'Stop the Wall in Palestine'

Veranstalterinnen und Veranstalter / Organizers Unterstützerinnen und Unterstützer / Supporters
  • AK Nahost Berlin
  • AK Palästina Tübingen
  • Arbeitskreis Israel/Palästina e.V. Bonn
  • Bonner Friedensbündnis,
    www.frieden-bonn.de
  • Bundesverband deutsch-arabischer Vereine in Deutschland e.V.
  • Deutsch-Arabischer Familienverein Bonn e.V.
  • Deutsch-Palästinensische Freundschaftskreis Düsseldorf e.V.
  • Frauen für den Frieden in der Evangelische Kirche von Westfalen
  • Friedensinitiative aus Thüringen
  • Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg,
    www.antikriegsforum-heidelberg.de
  • Initiativ e.V.,
    www.antifakomitee.de
  • Nahost-AG des Service Civil International (SCI) - Deutscher Zweig e.V.,
    www.sci-d.de
  • Palaestinaonline,
    www.palaestinaonline.de
  • Palästinensischer Freundschaftsverein Wuppertal e.V.
  • Palästinensische Gemeinde Bonn
  • Palästinensische Gemeinde Deutschland-Wuppertal e.V.
  • Palästinensische Gemeinde Köln
  • Profi-Reporte.de,
    www.profi-reporte.de
  • Redaktion der kommunistischen Internet-Zeitung
    www.Kommunisten-online.de
  • Spontaner Friedenskreis Jung und Alt - Bonn
  • Zentralrat der Marokkaner in Deutschland e.V.
Quelle: www.freepalestine.de


Abschlußerklärung

der Konferenz 'Stop the Wall in Palestine'

Vor genau 37 Jahren begann der '6-Tage'-Krieg und damit die Besetzung des Westjordan-Landes und des Gaza-Streifens durch die israelische Armee. Heute, an diesem Jahrestag erklären die VeranstalterInnen der Konferenz 'Stop the Wall - Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel' angesichts der dramatischen Lage im israelisch-palästinensischen Konflikt:

Der derzeitige Bau eines 'Trennungszauns' auf palästinensischem Gebiet durch die israelische Regierung muss unverzüglich gestoppt werden! Diese Anlage wird mit guten Gründen von vielen Menschen in Palästina und Israel 'Apartheidmauer' genannt. Sie bringt bereits jetzt eine unerträgliche Verschärfung der Lebensbedingungen für die palästinensische Bevölkerung mit sich. Feindschaft und Gewalt zwischen Teilen der jüdisch-israelischen und der arabisch-palästinensischen Bevölkerung werden weiter zugespitzt. Wir fordern von der israelischen Regierung, die völkerrechtswidrig schon errichteten Mauer- und Zaunabschnitte unverzüglich wieder abzureißen, hierfür konfisziertes Land an seine palästinensischen Eigentümer zurückzugeben und für die angerichteten Zerstörungen angemessenen Schadensersatz zu leisten.

Wir wenden uns gegen die strukturelle und militärische Gewalt von Mauerbau und Okkupation und ebenso gegen verbrecherische Angriffe auf Zivilisten beider Seiten. Wir appellieren an die israelische wie an die palästinensische Seite, die bewaffnete Konfrontation zugunsten eines Prozesses der zivilen, gewaltlosen Konfliktbearbeitung zu überwinden. Damit dies gelingen kann, ist eine starke und aktive internationale Bewegung unverzichtbar, die die legitimen Rechte der palästinensischen Bevölkerung anerkennt und unterstützt:
  • Die Palästinenserinnen und Palästinenser haben - ebenso wie Israel in den Grenzen bis 1967 - das Recht, auf dem gesamten Gebiet der Westbank und des Gaza-Streifens ihren souveränen Staat aufzubauen, und das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat.
  • Die europäischen Regierungen müssen konsequent für Menschen- und Völkerrecht in der Nahost-Region eintreten: Der skandalöse Waffenhandel in diese Krisen- und Kriegsregion muss unverzüglich und vollständig eingestellt werden. Waren aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen in Gaza und Westbank müssen von allen Zollpräferenzen der EU ausgenommen werden. Die Produkte sind auch für die Konsumenten eindeutig zu kennzeichnen, so dass diese entscheiden können, ob sie Waren aus diesen Siedlungen kaufen wollen.
  • Die EU muss außerdem ihre eigenen Regeln ernst nehmen und von der israelischen Regierung die Respektierung der Menschenrechte als Voraussetzung für die Fortsetzung des Assoziationsabkommens einfordern, entsprechend der Resolution des Europäischen Parlaments vom 10. April 2002. *
Als Initiativen der Friedens- und Solidaritätsbewegung in Deutschland und Europa wollen wir unsere Beziehungen zu den Menschen in beiden Gesellschaften festigen. Wir werden die bestehenden Kontakte und die solidarische Unterstützung ausbauen, sowohl zu den von Mauerbau und Okkupation Betroffenen in Palästina und ihren Organisationen, als auch zu allen israelischen Gruppen und BürgerInnen, die Sicherheit und eine menschliche Zukunft auch für die israelische Bevölkerung nicht durch immer mehr militärische Gewalt und Unterdrückung erreichen wollen, sondern durch gemeinsame Arbeit und sozialen Kampf für ein gleichberechtigtes Zusammenleben.

Wir treten ein für die universelle Gültigkeit von Menschen- und Völkerrechten. Deswegen wenden wir uns hier in Deutschland und Europa ebenso wie in Israel-Palästina gegen Antisemitismus, Judenhass, Islamophobie und Araber-Feindlichkeit. An Stelle des 'Zusammenpralls der Zivilisationen' wollen wir deren wechselseitige Akzeptanz und konstruktiven Dialog voranbringen.

Mit unserer heutigen Konferenz haben wir dazu einen Beitrag geleistet.

* Entschließung des Europäischen Parlaments zum Nahen Osten, vom 10.4.02 : "Das Europäische Parlament ... fordert die Kommission und den Rat in diesem Sinne auf, zu prüfen, wie sie sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der Aussetzung des Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel, am besten einsetzen können;..."

Quelle: www.freepalestine.de


Stop the Wall - für ein Ende der Gewalt

Artikel von Henning v. Stoltzenberg in 'junge Welt' vom 2.6.2004

Internationale Konferenz der Friedensbewegung am 5. Juni in Köln gegen israelische Apartheidmauer

Eine internationale Konferenz »Für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina« findet am kommenden Samstag in der Alten Feuerwache in Köln statt. Die Initiatoren der Konferenz, etwa 70 Personen aus der Linken und der Friedensbewegung, trafen sich bereits im Januar in der Domstadt, um eine gemeinsame Erklärung gegen die im Bau befindliche Apartheidmauer in Palästina zu verabschieden und mit der Planung einer internationalen Konferenz zu beginnen. In dieser »Kölner Erklärung« wird der Bau der Mauer, die über 50 Prozent der besetzten Westbank annektieren wird, als weiterer Schritt zur Eskalation des Konfliktes bewertet, der dadurch auch der israelischen Bevölkerung keine Sicherheit bieten könne. »Nur ein Ende der Besatzung, ein rascher und endgültiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten und eine faire Lösung des Flüchtlingsproblems werden auch zu einem Ende der Gewalt führen und den verbrecherischen Angriffen auf unschuldige Zivilisten beider Seiten den Nährboden entziehen«, heißt es in dem Dokument weiter. Die etwa 40 unterzeichnenden Organisationen wollen die Öffentlichkeit informieren, Kampagnen palästinensischer und israelischer Aktivisten gegen den Mauerbau unterstützen und gegen Rüstungsexporte aus der EU protestieren.

Auf der Konferenz werden in vier Panels verschiedene Aspekte des Konfliktes beleuchtet und diskutiert. Als Referenten reisen Vertreter israelischer und palästinensischer Initiativen an, um über ihre politische Arbeit und Einschätzung zu berichten. Mit Musik- und Tanzgruppen aus Palästina, Israel und dem Libanon soll die Konferenz beendet werden.

Einige Gruppen, die sich selbst zur Linken zählen, erklärten bereits, diese Konferenz zu attackieren. »Einseitige Israel-Kritik ist kein Dialog«, lautet etwa der Titel eines Interviews in einer ansonsten eher unpolitischen Kölner Kulturzeitschrift mit einem Mitglied des »AK Antisemitismuskritik bei Attac«. Änliches wird in einem Artikel der Zeitschrift Graswurzelrevolution verbreitet. Sogenannte antideutsche Gruppen, bekannt für ihre Befürwortung der US-amerikanischen und israelischen Politik, drohen gar, »das Recht auf Selbstverteidigung des Staates Israel gegen die Teilnehmer der Konferenz Stop the wall! zu verteidigen.«

Quelle: www.jungewelt.de


Politik der Okkupation?

Interview mit Moshe Zuckermann, geführt von Susann Witt-Stahl in 'Neues Deutschland' vom 3.6.2004

Moshe Zuckermann über den israelischen »Anti-Terror-Zaun« - Der Leiter des Instituts für Deutsche Geschichte in Tel-Aviv, wird am Samstag auf der Friedenskonferenz »Stop the Wall« in Köln sprechen.

ND: Vor gut zwei Wochen hat die israelische Armee im Rahmen einer Operation gegen palästinensische Extremisten im Gazastreifen die Stadt Rafah in Schutt und Asche gelegt. Was hat dieser Einsatz bewirkt?

Zuckermann: Dieser rabiate Militärschlag hat zunächst die Rachegefühle des Militärs und eines Großteils der israelischen Bevölkerung für die Tötung von zwölf israelischen Soldaten im Gaza-Streifen befriedigt. Darüber hinaus bot er Sharon die Möglichkeit zu »beweisen«, dass er die »Sicherheit« Israels mitnichten vernachlässigt, denn dieser Vorwurf wird ihm vom gesamten rechten Lager gemacht. Zu bedenken gilt es aber, dass diese Politik der systematischen Häuserzerstörung schon seit vielen Jahren, ganz unabhängig von den Konjunkturen des Terrors, betrieben wird. Das ist eine bewusst betriebene Politik der Okkupation.

ND: Mitte 2002 hat Israel mit dem Bau einer Mauer zwischen dem israelischen Kernland und den besetzten Gebieten in der Westbank begonnen. Sie kritisieren diese Maßnahme als »materielle Verdinglichung der Hoffnung«. Was meinen Sie damit?

Zuckermann: Die Vorstellung, man könne sich im beginnenden 21. Jahrhundert durch eine Mauer von seinem Nachbarland abgrenzen, ist ja schon absurd. Die Hoffnung, die Palästinenser auf diese Weise loswerden zu können, ist unter vielen Israelis verbreitet. Sogar unter denen, die für die Errichtung eines palästinensischen Staates sind – ein nicht minder absurder Gedanke, wenn man bedenkt: Israel und Palästina sind in jeglicher Hinsicht wie siamesische Zwillinge aneinander gekettet. Man kann diese Tatsache friedlich begrüßen und zum Hebel einer produktiven Koexistenz machen. Man kann sie aber auch feindlich bewältigen wollen durch eine vermeintliche Trennung der beiden Völker. Die Hoffnung, dass die Palästinenser endlich aus dem Sichtfeld verschwinden, verdinglicht sich, so besehen, ideologisch durch die Mauer.

ND: Die Befürworter behaupten, es sei dem »Anti-Terror-Zaun« zu verdanken, dass die Zahl der Anschläge 2003 um rund 30 Prozent gesunken sei.

Zuckermann: Selbst wenn diese Zahl stimmen sollte, ist damit noch nichts über die Verminderung der Terrorgefahr gesagt, denn ein Mega-Anschlag vermag unter Umständen mehr Unheil anzurichten, als zwanzig vereitelte kleine Anschläge. Heute sind sich eigentlich alle in Israel, selbst die Militärs, darüber einig, dass sich der Terror nicht militärisch bekämpfen lässt. Und was die Armee nicht vermag, kann eine solche Mauer schon gar nicht leisten. Ich glaube aber, ehrlich gesagt, nicht, dass heute noch jemand in Israel ernsthaft meint, die Mauer sei zur Terrorabwehr errichtet worden. Terror kann nur durch die Ausmerzung seiner Ursachen bekämpft werden. Und die sind in der Okkupation begründet.

ND: Mit welcher Botschaft fahren Sie zu der internationalen Friedenskonferenz »Stop the Wall« nach Köln?

Zuckermann: Mit der Botschaft, dass die Errichtung einer Mauer nicht nur im Hinblick auf die vorgebliche Bekämpfung des Terrors ineffektiv ist, sondern auch Unsummen von Geld kostet. Außerdem wird eine durch Trennungsmauern materialisierte Vorstellung von den zukünftigen Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern nicht nur die Hölle für die palästinensischen Lebenswelten bedeuten. Sie kann auch nur Schlimmes für die Zukunft Israels verheißen. Das ist nicht romantisch, sondern existenziell gemeint.

Quelle: www.nd-online.de


Nahostkonflikt erfasst Köln

Artikel von Dirk Eckert in der 'taz Köln' vom 3.6.2004

Am Samstag findet in Köln eine Konferenz gegen den israelischen "Sicherheitszaun" statt. Kritiker aus der antideutschen Szene finden die Veranstaltung zu propalästinensisch und machen dagegen mobil.

Keine Israel/Palästina-Diskussion ohne eine Debatte darüber, wie israelische Politik kritisiert werden darf, wo also die Grenze zwischen legitimer Kritik und antisemitischem Ressentiment verläuft - das gilt auch für den kommenden Samstag, wenn in Köln die Konferenz "Stop the Wall" stattfindet. "Internationale Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel" nennt sich die eintägige Veranstaltung, zu der illustre Gäste erwartet werden. Unter anderem kommen der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU), der israelische Historiker Moshe Zuckermann, Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Publizist Ludwig Watzal, die Rechtsanwältin Felicia Langer sowie verschiedene Aktivisten aus Israel und den besetzten Gebieten. Ab 11 Uhr wird im Bürgerzentrum Alte Feuerwache der Bau der von der israelischen Regierung "Sicherheitszaun", von den Kritikern "Mauerbau" genannten Anlage diskutiert. Nach den Plänen der Sharon-Regierung soll diese die Bürger Israels vor Terrorismus schützen, nach Auffassung der Kritiker ist sie aber völkerrechtswidrig und dient dazu, palästinensisches Land zu annektieren. So heißt es jedenfalls in der "Kölner Erklärung", die Grundlage der Konferenz ist.

Genau daran entzündet sich Kritik. Die StadtRevue brachte ein Interview mit der Berliner Historikerin Juliane Wetzel, die kritisierte, dass palästinensische Selbstmordanschläge in der Erklärung "überhaupt nicht" vorkämen. Und nachdem in den Lokalberichten, einer kleinen Kölner linksozialistischen Zweiwochenzeitung, die Konferenz angekündigt wurde, gingen Mitglieder des Sozialistischen Forums Rheinland mit der Erklärung hart ins Gericht, was wiederum in Attac-Kreisen eine Debatte zum Nahost-Konflikt entzündete. Die Gewalt im Nahostkonflikt gehe keineswegs nur von Israel aus, so die linken Sozialdemokraten, zudem sei es durchaus möglich, dass bessere Grenzkontrollen zur Eindämmung von Selbstmordanschlägen beitragen - dieses "legitime Sicherheitsmotiv" würden die Mauerbaukritiker aber gar nicht berücksichtigen. Im Übrigen materialisiere sich durch die Grenzziehung auch die Zweistaatlichkeit, kritisiert werden müsse deshalb nur die Art der Grenzziehung, die die Palästinenser ungenügend berücksichtige.

"Wir haben uns immer gegen alle Terroranschläge ausgesprochen", betont dagegen Annette Schiffmann vom Konferenzbüro. Gegen den Vorwurf der Einseitigkeit spreche schon, dass ein breites Bündnis aus palästinensischen und jüdischen Gruppen sowie Solidaritätsgruppen hinter der Konferenz stehe, meint Jens-Peter Steffen, friedenspolitischer Sprecher der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). "Es ist nicht so, dass alle unisono eine Position vertreten." Kritiker seien eingeladen, zu der Konferenz zu kommen. "Wir sind offen und suchen das Gespräch", betont er.

Davon wollen die so genannten Antideutschen allerdings nichts wissen. Für den Samstag hat das Bündnis "Fence out Terror!" eine Kundgebung gegen die "antizionistische Konferenz" und "für die Selbstverteidigung Israels" angekündigt. "Die Organisatoren der Konferenz reden vom ,gerechten Frieden' und meinen in Wirklichkeit den Krieg gegen Israel", so Mirjam Körner, Sprecherin des Bündnisses "Fence out Terror!". "Bei den Antideutschen stehen die Urteile schon fest", kritisiert IPPNW-Sprecher Steffen. Das dürften diese nicht mal bestreiten.

Konferenz: www.freepalestine.de/040605konferenz/
Antideutsch: www.fenceoutterror.tk

Quelle: www.taz.de


Palästina in den Grenzen von 1917

Artikel von Dirk Eckert in der 'taz Köln' vom 7.6.2004

Auf der Kölner Konferenz gegen den israelischen Sicherheitszaun waren die Hardliner am Werk: Von Kompromissen war keine Rede, statt dessen forderten die Teilnehmer das Rückkehrrecht für alle Palästinenser. Jetzt wollen sie Druck auf Israel ausüben.

Norbert Blüm ist unter die Aktivisten der Palästina-Solidarität gegangen. "Die Mauer muss weg", rief er am Samstag den Teilnehmern des Kongresses "Stop the Wall" in der Alten Feuerwache zu. Die von der israelischen Regierung als Sicherheitszaun gebaute Grenzanlage kritisierte der Arbeitsminister a.D. als Schikane, deren Auswirkungen er bei Besuchen selbst gesehen habe: "Da kam ein Ambulanzwagen nicht durch", empörte er sich.

Von solchen Begebenheiten erzählte an diesem Tag im gut gefüllten großen Saal der Alten Feuerwache in Köln nicht nur Blüm. Moshe Zuckermann zum Beispiel, israelischer Historiker, ist in einer Gruppe von jüdischen und palästinensischen Wissenschaftlern aktiv. Wegen der Mauer hätten sie ihren Tagungsraum wechseln müssen, berichtet er. Hinter der Mauer stehe nichts anderes als die Vorstellung, "dass man nur die Augen zu machen muss, damit die Welt da draußen nicht mehr existiert". Viele Israelis hätten noch nicht begriffen, dass sie und die Palästinenser "wie siamesische Zwillinge aneinander gekoppelt sind", bedauerte er.

An Erfahrungsberichten und Analysen zum Mauerbau und das Leben unter der Besatzung herrschte an diesem Tag wahrlich kein Mangel, auch nicht an Klagen über Sharon und seine Politik. Was fehlte, war eine kontroverse Debatte, die nicht mal zustande kam, als gegen Abend unter der Moderation von Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie über gewaltlose, internationale Kampagnen gegen Mauer und Besatzung beratschlagt wurde. Dass es Gruppen wie Hamas und islamischer Dschihad gibt, dass diese mit Selbstmordattentaten jeden Versuch einer Verständigung torpedieren, dass sich jede politische Gruppierung dazu verhalten muss - all das wurde nicht mal erwähnt.

Auch was die Palästinenser eigentlich anstreben sollten, was also der oft beschworene "gerechte Frieden" eigentlich ist, blieb merkwürdig unklar. In der Abschlusserklärung ist zwar von "Israel in den Grenzen bis 1967" die Rede, doch das war auf dieser Konferenz alles andere als Konsens. So legte Salman Abu-Sitta, Koordinator des "Komitees für das Rückkehrrecht des palästinensischen Volkes", gar eine Karte von 1917 auf und zeigte dann, wie die Palästinenser seitdem ihr Land verloren hätten. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass er die jetzigen Verhältnisse wieder zurückdrehen will. "Wie lange es auch immer dauert, bestehe auf Deine Rechte", empfahl er den Palästinensern. Sofortige Rückkehr aller Palästinenser in ihre alten Dörfer sei machbar, da die meisten Juden ohnehin in einigen größeren Städten des Landes lebten. Auf einer Karte unterteilte er Israel in A-, B- und C-Zonen für Juden, drehte also die sonst beklagte "Bantustanisierung" der Palästinensergebiete einfach auf die Juden um.

Abu-Sitta bekam tosenden Applaus für seine Forderungen. Dass es längst Pläne gibt, die die Interessen Israels und der Palästinenser unter einen Hut bringen, etwa die Genfer Friedensinitiative, spielte am Samstag in Köln keine Rolle. "Es wird nicht ohne Kompromiss gehen", hatte Norbert Blüm zwar gemahnt, aber sein Appell wurde offensichtlich als Sonntagsrede abgehandelt. Salman Abu-Sitta auf einer im Publikum verteilten Karte: "Das Rückkehrrecht ist heilig. Es ist in der Seele jedes Palästinensers. Ohne es wird kein Frieden herrschen."

Zu solcher religiös-pathetischen Seelenkunde passte es dann, dass zwei Redakteure der Kölner Studierendenzeitung philtrat trotz ordentlicher Akkredditierung von der Konferenzteilnahme ausgeschlossen wurden, weil sie vom Ordnerdienst fälschlich für "verkleidete Antideutsche" gehalten wurden. "Ich habe ein solches Klima der Verdächtigung und Denunziation noch nie zuvor erlebt", empörte sich einer der beiden studentischen Redakteure.

Der Ordnungsdienst bestand aus Aktivisten der Kampagne "10 Euro für das irakische Volk irakische Widerstand", die weniger an einem friedlichen Zusammenleben interessiert sind. So ist einer ihrer Sprecher, der Duisburger Thomas Zmrzly, der Ansicht, "eine Distanzierung von allen nicht-friedlichen Mittel des Widerstandes, und die Diskreditierung des militärischen Widerstandes als Terrorismus" könne nur als nicht akzeptabler "Angriff auf den Widerstand interpretiert werden". Auch Zmrzly war einer der Konferenzordner. Er verweigerte zunächst dem NRW-Korrespondenten dieser Zeitung den Einlass, weil er dachte, eine Kongressteilnehmerin hätte diesen als "Anti-Deutschen" identifiziert. Zmrzlys Kommentar nach Klärung des Missverständnisses: "Da hast du aber nochmal Glück gehabt."

Quelle: www.taz.de


Gewaltfreiheit endet schon vor der Halle

Artikel von Pascal Beucker und Dirk Eckert in der 'taz' vom 7.6.2004

"Stop-the-Wall"-Konferenz wünscht sich Frieden in Israel und Palästina. Bei der Einlasskontrolle gehts weniger sanft zu

Mit einem Appell an Israels Regierung, ihren umstrittenen Sicherheitszaun wieder abzureißen, endete am Samstag die Konferenz "Stop the Wall" in Köln. Zu der Veranstaltung hatten über 20 Friedens- und Palästina-Solidaritätsgruppen eingeladen, unter ihnen die Attac-AG Globalisierung und Krieg, die Ärztevereinigung IPPNW, der Bundesausschuss Friedensratschlag und die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft.

Der im Bau befindliche Grenzzaun schikaniere die palästinensische Bevölkerung und bringe "auf keinen Fall Sicherheit, sondern muss Widerstand hervorbringen", erklärte der israelische Historiker Moshe Zuckermann. Auch Ex-CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm kritisierte die Politik der israelischen Regierung.

"Ich kann nicht erkennen, wie man mit Panzerabwehrraketen auf Kinder den Terrorismus bekämpfen kann", sagte Blüm. Für solche Aussagen gab es großen Beifall. Der ließ allerdings jedes Mal merklich nach, wenn Blüm das Existenzrecht Israels verteidigte oder sich vehement gegen palästinensische Selbstmordattentate aussprach. Solche Positionen waren offensichtlich kein Konsens unter den Anwesenden.

Während im Saal nur über gewaltfreie Aktionen diskutiert wurde, ging es am Eingang zu der Konferenz weniger friedlich zu: Dort sorgten Aktivisten der linksextremistischen Kampagne "10 Euro für das irakische Volk im Widerstand", die auch Terroranschläge im Irak befürwortet, als Ordner bisweilen auch handgreiflich dafür, dass vermeintliche "Antideutsche" keinen Einlass bekamen. Dabei attackierten sie auch Journalisten.

An einer pro-israelischen Gegenkundgebung in der Nähe des Veranstaltungsorts nahmen rund 100 Demonstranten teil.

Quelle: www.taz.de


Was ist in die taz gefahren?

Will die als links-alternativ geltende Zeitung die bürgerliche Presse rechts überholen? - Anmerkungen zu den Artikeln in der 'taz' vom 7.6.2004

"In Köln haben Politiker und Wissenschaftler auf einer international besetzten Konferenz im Bürgerzentrum Alte Feuerwache zum Teil scharfe Kritik am Mauerbau der israelischen Regierung geübt... An der Konferenz unter dem Titel 'Stop the Wall' beteiligte sich auch der einstige Sozialminister Norbert Blüm. Er nannte die Mauer 'ein menschenverachtendes Bauwerk'."

"Reuven Moskovitz ist Historiker und Mitbegründer des Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Salam in Israel, einer Siedlung in der israelische Juden und Palästinenser zusammenleben. Er ... erhielt 2003 den Aachener Friedenspreis. Er nahm am vergangenen Wochenende an der internationalen Konferenz "Stop the wall" in Köln teil, wo unter anderen Israelis und Palästinenser über einen gerechten Frieden in Nahost diskutierten."

Das sind zwei kurze Passagen, die sich in sachlichem Ton auf die internationale Konferenz "Stop the Wall - für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel" beziehen. Aber - wir dürfen uns wundern - sie stammen nicht aus der 'taz'. Die erste Passage ist am 7.6.2004 im 'Kölner Stadt-Anzeiger', die zweite in der Ausgabe der 'Frankfurter Rundschau' vom selben Tag zu lesen.

Während der Kölner Stadt-Anzeiger von 'Mauer' und 'Mauerbau' schreibt, ist die 'taz' dem Vokabular der israelischen Regierung verhaftet und spricht von 'Sicherheitszaun' und 'Grenzanlage'. Während der ehemalige Minister Norbert Blüm im 'Kölner Stadt-Anzeiger' die 'Mauer' als 'menschenverachtendes Bauwerk' bezeichnen kann, müssen wir in der 'taz' einen distanzierten Unterton feststellen: Norbert Blüm sei unter die Aktivisten der Palästina-Solidarität gegangen und habe "Die Mauer muss weg" gerufen. Während im Kölner Stadt-Anzeiger von 'Politikern und Wissenschaftlern auf einer international besetzten Konferenz' und in der Frankfruter Rundschau von einer 'internationalen Konferenz, wo unter anderen Israelis und Palästinenser über einen gerechten Frieden in Nahost diskutierten' schreiben, werden in der 'taz' alle Teilnehmer als 'Hardliner' disqualifiziert, die zu keinerlei Kompromissen bereit seien.

Mit der Überschrift 'Palästina in den Grenzen von 1917' suggeriert die 'taz' in ihrer Kölner Ausgabe, es sei auf der Konferenz um eine derartige Forderung gegangen. Bewußt scheint die 'taz' auf die revisionistische Formulierung 'Deutschland in den Grenzen von 1914' anzuspielen. "So legte Salman Abu-Sitta, Koordinator des 'Komitees für das Rückkehrrecht des palästinensischen Volkes', gar eine Karte von 1917 auf und zeigte dann, wie die Palästinenser seitdem ihr Land verloren hätten", lesen wir dann im Text, als sei es eine Ungeheuerlicherkeit, einen historischen Prozess darzustellen.

Mit der Überschrift 'Gewaltfreiheit endet schon vor der Halle' operiert die 'taz' in ihrer bundesweiten Ausgabe. "Während im Saal nur über gewaltfreie Aktionen diskutiert wurde, ging es am Eingang zu der Konferenz weniger friedlich zu", lesen wir dann im Text, als sei es am Rande der Konferenz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Störungen des Konferenzablaufs waren eher von anderer Seite zu befürchten gewesen, nämlich von Seiten der so genannten 'Antideutschen', von deren drastischer Einseitigkeit zugunsten der Politik des israelischen Machtapparats die 'taz' keine Silbe verliert. "Ich habe ein solches Klima der Verdächtigung und Denunziation noch nie zuvor erlebt" ist ein Zitat, das die 'taz' den Veranstaltern der Konferenz vorhält, anstatt zu fragen, wie es zu der angespannten Situation gekommen ist.

Die 'taz' begibt sich auf das Niveau des ARD-Magazins 'Panorama', das Ende 2003 versucht hatte, die Friedensbewegung (zumindest Teile von ihr) als Befürworter von Terror zu diskriminieren. In der bundesweiten Ausgabe wird eine Aktion mit dem Titel '10 Euro für das irakische Volk im Widerstand' eingeflochten. In der Kölner Ausgabe heißt sie dagegen '10 Euro für das irakische Volk irakische Widerstand'. Die 'taz' hat einen der Sprecher der Aktion als Ordner bei der Konferenz ausgemacht. Und sie disqualifiziert die Aktion als 'linksextremistische Kampagne, die auch Terroranschläge befürwortet'. Eine solche Behauptung ist - zumindest in dieser undifferenzierten Form - falsch, abgesehen von dem Umstand, daß beide verwendeten Bezeichnungen fehlerhaft sind und die Kampagne tatsächlich den Namen '10 Euro für den irakischen Widerstand' trägt. Hier scheint etwas durcheinander zu kommen: statt diejenigen ins Blickfeld zu rücken, die einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führen, wird stattdessen der Widerstand dagegen als illegal hingestellt. Soll die gleiche Logik auf den völkerrechtswidrigen Mauerbau in Palästina und den berechtigten Protest dagegen angewendet werden?


Von einem seriösen berichterstatter erwarte ich neutralität

Leserbrief von Claudia Karas zu den Artikeln 'Gewaltfreiheit endet schon vor der Halle' und 'Palästina in den Grenzen von 1917' in der 'taz' vom 7.6.2004

Von einem seriösen berichterstatter erwarte ich neutralität. nicht nur die titel sind tendenziös, auch die berichte geben die veranstaltung entstellt wieder und verunglimpfen die konferenzteilnehmer. (*)

vermittelt wird ein völlig falsches bild von der veranstaltung. (*)
die verfasser verschweigen beispielsweise den ausgezeichneten vortrag von Fanny Reisin als vertreterin der „European Jews for a Just Peace“ und die leidenschaftlichen appelle Felicia Langers und Reuwen Moskovitz, endlich verantwortung aufgrund unserer geschichte zu übernehmen und nicht mehr zu dem am palästinensischen volk verübten unrecht zu schweigen. anscheinend können es die verfasser nicht ertragen, dass es juden gibt, die für einen gerechten frieden eintreten, die sich gegen den mauerbau auf palästinensischem grund und boden, gegen landraub und enteignung, gegen die alltägliche besatzerwillkür einsetzen.

warum sind hardliner am werk, wenn sie sich für die einhaltung des völkerrechts stark machen? Salman Abu-Sitta widerlegte sehr anschaulich und eindrucksvoll die verschleierungen derjenigen, die den palästinensern ihr verbrieftes rückkehrrecht absprechen wollen.

lieber ein seltsamer friedensfreund in anführungszeichen, als ein lobbyist der gnadenlosen, brutalen israelischen besatzungspolitik wie Beucker + Eckert, die es ihrerseits gar nicht seltsam finden, sich so einseitig proisraelisch zu positionieren. aus ihren worten jedenfalls spricht kein friede! (*)

(*) Anmerkung: Der Leserbrief wurde in der 'taz' vom 10.6.2004 veröffentlich, die fett gesetzten Passagen allerdings nicht.


Israels Grenzmauer scharf verurteilt

Notiz im Kölner Stadt-Anzeiger vom 7.6.2004

In Köln haben Politiker und Wissenschaftler auf einer international besetzten Konferenz im Bürgerzentrum Alte Feuerwache zum Teil scharfe Kritik am Mauerbau der israelischen Regierung geübt. Durch die Abschottung der Palästinensergebiete seien die Friedensbemühungen im Nahen Osten "in eine hoffnungslose Sackgasse" geraten, bemängelte der Historiker Reuven Moskovitz, der 2003 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet worden war. Er bezeichnete Israelis und Palästinenser als "zwei tief verletzte Völker, die dringend der Mithilfe von außen benötigen". An der Konferenz unter dem Titel "Stop the Wall" beteiligte sich auch der einstige Sozialminister Norbert Blüm. Er nannte die Mauer "ein menschenverachtendes Bauwerk". Mehrere Hundert Teilnehmer hatten die Vorträge und Diskussionen besucht.

Etwa 80 Gegner der Veranstaltung demonstrierten mit israelischen Fahnen und Transparenten für "die Selbstverteidigung Israels" zum Schutz vor Selbstmordattentätern. Zwischenfälle blieben nach Polizeiangaben aus. (tho)

Quelle: www.ksta.de


Die völkerrechtswidrig errichteten Mauer- und Zaunabschnitte abreißen!

Elvira Högemann in 'Lokalberichte Köln' vom 11.6.2004

Es ist ein Verdienst der Veranstalter der Konferenz "Stop the Wall - für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel" am 5.6. in Köln, dass sie diesen neuesten Schritt zur Verhinderung einer Friedenslösung zum Ausgangspunkt der Tagung gemacht haben. Auch, weil neuerdings jeder vom Vorwurf des Antisemitismus bedroht wird, der das Thema nur aufgreift. Wie auch in diesem Fall geschehen. Die Gegendemonstration der "Antideutschen", bundesweit beworben, war allerdings eher marginal, sie selbst in der Debatte nicht vertreten. Die Veranstalter hatten angesichts der geräuschvollen Vorbereitung Polizeischutz für den Eingang zum Tagungsort bestellt (*) und auf vorheriger Anmeldung der Teilnehmer bestanden. Ein go-in, das manche erwartet hatten, fand nicht statt. Die Konferenz spricht für sich.

Sie war von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft und Gush Shalom Deutschland, Pax Christi, Friedensratschlag und -kooperation, einer Reihe weiterer palästinensischer und jüdischer sowie deutscher Menschenrechts- und Friedensorganisationen einberufen. Im Namen der Veranstalter begrüßten ein Sprecher der Palästinensischen Gemeinde in Deutschland und eine Sprecherin von Gush Shalom die 300 Teilnehmer. Sie bezeichnete die Politik der Regierung Scharon als selbstzerstörerisch. Das Existenzrecht Israels stehe nicht in Frage, der Zorn über die Scharon-Politik habe mit Antisemitismus nichts zu tun. Der palästinensische Sprecher nannte die Zwei-Staaten-Lösung als die einzig mögliche, unabdingbar sei , dass die israelische Seite die Schuld an der Vertreibung der Palästinenser anerkenne, ebenso wie das Recht auf Rückkehr und materielle Entschädigung aller Flüchtlinge seit 1948.

Die Lage im Land ist davon weit entfernt. Der so genannte Sicherheitszaun wurde als Konzept der Annexion beschrieben. Die nach UNO-Beschluss illegalen Siedlungen im Westjordanland würden damit zementiert, zugleich auf dem Restgebiet die palästinensische Bevölkerung von Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeitsmöglichkeiten und die Bauern von ihrem Land abgeschnitten. Die Wasservorräte der Region fließen fast ausschließlich den israelischen Siedlungen zu. Ein Bauer aus Kalkilia erzählte, was er und seine Kollegen anstellen müssen, um ihr Land zu erreichen, wenn sie denn überhaupt einen permit bekommen, Viktoria Waltz, die an der Bir-Zeit-Universität in einem Projekt der Universität Dortmund arbeitet, berichtete, dass Studenten aus Bethlehem 5 Stunden brauchen, um ihren Studienplatz zu erreichen, dass Ambulanzen aufgehalten, die medizinische Versorgung Neugeborener unmöglich wird. Eine "Armutsmauer" nannte Hasan Ayoub das Bauwerk. Benachteiligung und Einschränkung von Rechten der palästinensischen Bevölkerung, Zerstörung palästinensischer Häuser - das alles ist nicht neu, es sind Maßnahmen zu gezielten Verarmung, bzw. Druckmittel zur Vertreibung der palästinensischen Einwohner.

"Segregation" nennt Moshe Zuckermann, Professor an der Universität Jerusalem, das Konzept seiner Regierung. So könne und dürfe die Zwei-Staaten-Lösung nicht aussehen.

Zuckermann hält die Vorstellung, Israel könne Frieden und Sicherheit durch Abschottung von den arabischen Staaten und durch "Wegschaffen" der Palästinenser erreichen, für illusionär. Für ihn sind Israelis und Palästinenser "wie siamesische Zwillinge" aneinander gekoppelt durch Arbeitsmarkt; Ressourcen; Wasser. Das zwinge zu nachbarschaftlichen Lösungen, zur Koexistenz. Zu schaffen sei eine "konföderative Struktur" der beiden Staaten. Von dieser Einsicht aber sei die israelische Gesellschaft weit entfernt. Zwar sei mittlerweile unübersehbar, wie Bildungswesen, Gesundheitswesen und andere zivilgesellschaftliche Einrichtungen in Israel zugrunde gehen, zwar sei die Mehrheit für eine Zwei-Staaten-Lösung, aber zugleich werde der Gedanke der Segregation weithin akzeptiert.

Bleibt die Frage, was hier und jetzt zu tun ist. Ohne internationale Unterstützung wird es keinen Ausstieg aus dem Teufelkreis der Gewalt geben. Die Erklärung der EU gegen den Bau der Mauer wurde als positiv gesehen, im Ganzen aber als "zu milde" beurteilt. Fanny-Michaela Reisin (European Jews for a just Peace) plädierte für starke Einwirkung auf die europäische Öffentlichkeit und ganz besonders für Druck auf die Regierung Schröder/Fischer, die in Brüssel alle Eingaben zu Fall bringe, die gegen die israelische Regierung gerichtet sein könnten. Ihre Gruppe hatte den deutschen Außenminister zu einer Stellungnahme gegen den Mauerbau im Westjordanland aufgefordert. In der Antwort hieß es dann, der "Verlauf der Mauer sei zu kritisieren". Der Warenexport Israels in die EU ist durch ein Assoziationsabkommen privilegiert. Eine Eingabe von EP-Abgeordneten, dieses Abkommen auszusetzen, ist in Brüssel gescheitert, u.a. am deutschen Einspruch. In anderen Beiträgen wurden die deutschen Waffenlieferungen kritisiert.

In diesen Kontext stellte sich Minister a.D. Norbert Blüm mit seinem Beitrag. Er begann mit einem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und für einen palästinensischen Staat. Eine Lösung gebe es nur für beide oder für keinen, es werde nicht ohne Kompromisse abgehen. Es müsse eine Lösung auf der Grundlage von Menschenwürde und Menschenrechten geben, ohne Gewalt. "Rafah ist ein Verbrechen, Selbstmordattentate sind ein Verbrechen. Es gibt keinen Gott, der Wohlgefallen daran hat. Kindern das einzureden, ist auch ein Verbrechen." Es gab viel Beifall, auch für die Aufforderung, man solle es sich nicht so kompliziert machen, einfach fordern "Die Mauer muss weg". Ein "Bündnis aller Gutwilligen" sei nötig.

Vorerst geht die Friedensbewegung noch in kleinen Schritten. Für eine dringend notwendige politische Initiative bietet die Schlusserklärung eine gute Grundlage. Sie fordert, "die völkerrechtswidrig schon errichteten Mauer- und Zaunabschnitte" abzureißen, das hierfür konfiszierte Land zurück zu geben und Schadenersatz für die geschehenen Zerstörungen zu leisten. Von den EU-Staaten wird gefordert, die Menschenrechte ernst zu nehmen, dies von der israelischen Regierung zur Fortsetzung des Assoziationsabkommens zu verlangen und den Waffenhandel in diese Krisen- und Kriegsregion einzustellen.

(*) Anmerkung: Die Veranstalter der Konferenz legen Wert auf die Feststellung, dass sie keinen Polizeischutz bestellt hatten. Die Polizei ist aus eigenem Entschluss gekommen.


Mauerbau verschärft Nahostkonflikt: Frieden durch Zwei-Staaten-Lösung?

Inteview mit Moshe Zuckerman, geführt von Henning von Stoltzenberg, veröffentlicht in 'junge Welt' vom 10.6.2004

jW sprach mit Moshe Zuckerman, Leiter des Instituts für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv. Er referierte am vergangenen Wochenende in Köln auf der »Konferenz für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina« über den aktuellen Stand des israelischen Mauerbaus in Palästina und dessen Auswirkungen

F: Welche Möglichkeiten der Intervention hat die Solidaritätsbewegung außerhalb Palästinas?

Die Realität wird sich nicht durch Engagement von Institutionen außerhalb des eigentlichen politischen Machtbereichs ändern lassen. Natürlich kann man Öffentlichkeit herstellen und sich bei Konferenzen und ähnlichen Gelegenheiten solidarisch erklären. Eine echte Veränderung der Lage hängt jedoch von anderen Faktoren ab. Es stellt sich die Frage, ob die USA und Israel auch nach der anstehenden US-Präsidentschaftswahl einer Meinung über den Bau der Mauer sein werden.

F: Am Rande der »Konferenz für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina« fand eine Gegenkundgebung »für das Selbstverteidigungsrecht Israels« statt. Auch Sie persönlich wurden für Ihre Teilnahme an der Konferenz kritisiert.

Es ist zu fragen, ob diese Leute wissen, wovon sie reden. Wenn der Staat Israel zur Plattform der Solidarität oder der Identifikation wird, muß geklärt sein, um welches Israel es sich handelt. Um das von Scharon? Das Israel der rechtsradikalen Siedler? Das Israel der orthodoxen Juden, die damit eigentlich gar nichts zu tun haben? Das Israel der 150 000, die sich auf dem Rabin-Platz versammelt hatten, um gegen die Okkupation zu demonstrieren? Wer Israel oder die Juden abstrahiert, gehorcht einem Ressentiment, das aus einer ganz anderen Ecke stammt.

F: Woran denken Sie dabei?

Es ist die Frage, ob es sich bei dieser blinden philosemitischen Pro-Israel-Position nicht um einen antisemitischen Reflex handelt. Niemand in Israel denkt heute noch, die Mauer hätte etwas mit Selbstverteidigung zu tun. Die Mauer hat etwas mit Segregation zu tun, vielleicht etwas mit Grenzfindungen. Aber niemand macht sich vor, daß Terror durch die Mauer abgehalten werden kann. Das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel zu verteidigen, das sozusagen von der »Weltmacht« Palästina angegriffen wird, ist lächerlich.

F: Was ist für Sie die Perspektive für einen gerechten Frieden?

Ohne vollständigen Abzug aus den besetzten Gebieten wird es keinen Frieden geben. Gleiches gilt für die israelischen Siedlungen, wobei ich betonen möchte, daß diese nicht zerstört werden, sondern für die Infrastruktur eines neugegründeten palästinensischen Staates nutzbar gemacht werden sollen - wofür natürlich Abfindungen gezahlt werden müßten. Die Jerusalem-Frage muß im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung geregelt werden, und Jerusalem sollte die Hauptstadt beider Staaten sein. Palästina muß in einer ersten Phase ein eigenständiger, souveräner Staat neben Israel werden. Danach kann man dann zu einer föderativen Struktur gelangen, die Israel und Palästina zusammenführt.

Quelle: www.jungewelt.de


Stop the Wall

Einschätzung der Konferenz auf der Palästina-Portal-Seite erhard-arendt.de/deutsch/palestina vom 7.6.2004

Die Internationale Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel wurde am 5.6.04 in Köln erfolgreich durchgeführt.


Am 17. Januar 2004 beschlossen in Köln über 70 Personen aus Organisationen und Gruppen der Friedensbewegung und der Bewegung für internationale Solidarität, eine Konferenz gegen den Mauerbau in Palästina und gegen die Besatzung Palästinas durch Israel zu veranstalten. In der Kölner Erklärung wurde dies schriftlich fest gehalten.

Die Initiative für diesen Beschluss geht zurück auf die Konferenz über die palästinensischen politischen Gefangenen unter israelischer Besatzung am 4. Oktober 2003 in Berlin. (siehe www.freepalestine.de) Im Anschluss an diese Konferenz wurde für Deutschland die Kampagne gegen die Apartheidmauer in Palästina ins Leben gerufen.

In überfüllten Räumen mit internationaler Beteiligung und Beiträgen aus Palästina und Israel wurden die Entwicklung und die Perspektiven der Arbeit für den Frieden im Nahen Osten erörtert.

Unter dem Motto "Lang lebe Israel", dem auch keiner der Konferenzteilnehmer widersprechen würde, waren Gegendemonstrationen angekündigt worden. Zeugen sprechen von 30 - 100 Teilnehmern. Da auf einschlägigen Internetseiten auch gewalttätige Auseinandersetzungen angekündigt waren, herrschte sicher eine gewisse Nervosität. Es war abgekündigt worden die Solidarität zu Israel praktisch werden zu lassen und das "Recht auf Selbstverteidigung" in Anspruch zu nehmen (wie in Israel). Dies konnte verhindert werden, die Aktivisten waren auch an einer Hand abzuzählen. Innen kam es zu Missverständnissen, weil man Antideutsche ausschließen wollte, die als nicht diskussionsfähig gelten, dabei kam es zur Verwechslung mit einem Journalisten. Diesem, dem die mögliche Bedrohung bekannt war, fehlte die notwendige Sachlichkeit, und er thematisierte dies in der Taz. Ebenso kam im Sinne von Honestly Concerned ein manipulierender Zuruf, man hätte beim Existenzrecht Israels und der Ablehnung von Antisemitismus weniger geklatscht. Zurecht kam eine, auch von jüdischen Teilnehmern vom Beifall unterstützte Stimme aus dem Publikum, die sagte, das sei eine Selbstverständlichkeit, über die man hier nicht zu reden brauchte - waren doch auf dem Podium mehr Israelis und Juden vertreten. Das sprach wohl für sich. Es war eine Veranstaltung mit und von Israelis und Palästinensern für einen Frieden zwischen beiden Staaten.

Reuven Moskovitz
  • "Nach dem furchtbaren Zweiten Weltkrieg,... war ich zusammen mit Millionen anderer Menschen sicher, daß die Menschheit jetzt endlich lernen würde, anders zu leben und anders miteinander umzugehen. Aber die Menschen lernen sehr schnell, ihre Güter zu vermehren... Eine Weisheit hat der Mensch vom Baum der Erkenntnis nicht gewonnen: wie er in Frieden mit seinem Nächsten leben kann..." (Aus seinem Buch "Der lange Weg zum Frieden)
Abu-Sitta
  • Der palästinensische Autor Salman Abu-Sitta widerlegt das Argument, daß eine Rückkehr undurchführbar sei. 78 Prozent aller israelischen Juden leben in nur 14 Prozent des Landes (hauptsächlich um Tel Aviv, Haifa und Jerusalem), der riesige Rest ist von ländlicher Bevölkerung besiedelt (etwa 200 000), die in Kibbuzim und privaten Farmen die israelische Landwirtschaft betreibt. Diese 200 000 Israeli nutzen und kontrollieren größtenteils das Land der fünf Millionen Flüchtlinge, die oft nur wenige Kilometer entfernt in engen Flüchtlingslagern leben. Die 850 000 registrierten Flüchtlinge in Gaza leben zusammengedrängt bei einer Dichte von 4 200 Personen pro Quadratkilometer, jenseits des Stacheldrahts sehen sie ihr Land in Israel, beinahe leer, mit einer Dichte von fünf Personen pro Quadratkilometer.
Felicia Langer
  • "Die Lehre aus dem Holocaust ist Menschlichkeit..."
  • >
  • "Frieden ist möglich, aber nicht mit Überheblichkeit und Dominanz..."
Moshe Zuckermann
  • "Israel und Palästina sind wie zwei siamesische Zwillinge ...."
  • "Die Israelis wollen den Preis für den Frieden nicht bezahlen"
  • "Es geht mir um Herrschaftsverhältnisse, die nur dadurch zu verändern sind, dass der Herr aufhört Herr zu sein und der Knecht aufhört Knecht zu sein. Das ist im Moment das zentrale Problem in Israel und Palästina."
Fanny-Michaela Reisin
  • "In den USA gibt es viele religiöse und weltliche Organisationen, ich nenne nur »Justice and Peace« oder »Tikkun«, die gegen die Okkupations- und Obstruktionspolitik der Bush- und Scharon-Administrationen im Nahen Osten eintreten. In Europa gründeten im September des vergangenen Jahres Vertreter 18 jüdischer und jüdisch/palästinensischer Friedensorganisationen aus neun Staaten Europas die Föderation »European Jews for a Just Peace (Europäische Juden für einen gerechten Frieden)«. Die Föderation will mit einer anderen jüdischen Stimme den Regierungen Europas helfen, die historisch begründeten Privilegierungsverträge der EU mit der israelischen Regierung aufzukündigen, solange diese in so flagranter Weise gegen die elementaren Grund- und Menschenrechte, gegen die Prinzipien der Demokratie und vor allem gegen internationales Recht verstoßen. Überflüssig zu sagen, daß alle genannten Organisationen auch entschiedene Gegner des Irak- und jedes weiteren Krieges im Nahen Osten sind. Ist es denkbar, daß in der gegenwärtigen israelischen Regierung überlegt wird, das militärische Vorgehen in den besetzten Gebieten noch weiter zu eskalieren? Schon Ende September 2002 warnten wir, 187 israelische Intellektuelle, in einem Aufruf, daß »weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bis zur vollständigen ethnischen Säuberung« zu erwarten seien. Das Thema »Transfer« ist in Israel inzwischen Bestandteil der politischen Debatte."
Norbert Blüm
  • "Ich kann nicht erkennen, wie man mit Panzerabwehrraketen auf Kinder den Terrorismus bekämpfen kann"
  • >
  • "Fischer soll seine Lackschuhe ausziehen und mal wieder Turnschuhe anziehen"
  • >
  • "Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu"
Quelle: erhard-arendt.de/deutsch/palestina


Unser Nachdenken, Zornigsein, Reden und Tun hat mit Antisemitismus nichts zu tun

Eröffnungsrede von Ellen Rohlfs als Vertreterin von Gush Shalom bei der Internationalen Konferenz 'Stop the Wall' am 5. Juni 2004 in Köln

Als aktives Mitglied von Gush Shalom darf ich Sie mit Shalom begrüßen. Als jemand der seit 40 Jahren Freunde an vielen Orten in Palästina hat, darf ich Sie auch mit dem arabischen Friedensgruß ASSALAMU ALEIKUM ! begrüßen.

Ich möchte mit etwas Ungewöhnlichem beginnen: In meiner Kindheit lauschten wir noch den Grimmschen Märchen - auch dem vom Rumpelstilzchen. In ihm kommt folgender Vers vor: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’.“ Aber genau damit hatte der verschlagene, böse Kobold einem heimlich Lauschenden seinen richtigen Namen verraten - und es war Schluss mit dem Zauber, Spuk und den Ungeheuerlichkeiten.

In diesem Märchen wird deutlich, wie wichtig es oft ist, den Namen einer Person, oder auch den richtigen Namen von Dingen zu kennen, ja, die „Dinge beim rechten Namen“ zu nennen - selbst dann, wenn die mit ihnen zusammenhängenden Ungeheuerlichkeiten leider nicht so schnell verschwinden wie im Märchen.

Ich möchte einige solcher „Dinge“, die mit dem Nahostkonflikt zusammen hängen und zum Teil sogar sehr aktuell sind -- beim rechten Namen nennen - das hat auch etwas mit Wahrheit zu tun.

Besatzung heißt Unterdrückung, heißt Gewalt. Enteignung von Land ist Diebstahl.

Die Wasserverteilung zwischen den beiden Ethnien ist ein Beispiel von unglaublicher Ungerechtigkeit.

Verschiedene Gesetze für verschiedene Ethnien wie in der Türkei , Israel und anderswo ist Rassismus.

Checkpoints sind weniger Kontrollpunkte als Orte der Demütigung und Schikanen.

Was unter dem Codewort Sicherheit für die eine Seite läuft , bedeutet militärische Überfälle mit gezieltem Töten und Zerstören von Wohnhäusern für die andere Seite - also größte Unsicherheit.

Wer in Israel von „reinen Waffen“ spricht - redet nicht von Spielzeugwaffen - unter den mehr als 2500 palästinensischen Toten sind ca 573 Kinder...

'Frieden für Galiläa!' bedeutete 1982 Krieg für den Libanon - einschließlich der Massaker in Sabra und Shatila.

Die „Operation Regenbogen“ war für die Menschen in Rafah keine Aktion der Versöhnung, sondern bedeutet für sie Angst, Zerstörung, Hunger, Tausende wurden obdachlos und 60 fanden den Tod - also eine Katastrophe. (Das Wort „Regenbogen“, das bibl. Symbol für Frieden und Versöhnung, derart zu missbrauchen, ist pervers.)

Solche und ähnliche Euphemismen eignen sich gut, um nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern die ganze Welt zu täuschen.

Was als „Ill-treatment“/ „üble Behandlung“ bezeichnet wird, bedeutet für Gefangene schlicht Folter. (Erst als man kürzlich die Behandlung irakischer Gefangenen Schwarz auf Weiß oder gar farbig hatte, war von Folter die Rede - dass in isr. Gefängnissen seit über 30 Jahren nicht nur „physischer Druck“ ausgeübt, sondern mit 25 verschiedenen Techniken gefoltert wird, kann u.a. in B’tselemberichten nachgelesen werden.

Die „Anwesend-Abwesenden“ sind Vertriebene innerhalb Israels, deren Land „legal“ enteignet/ gestohlen werden konnte.

Der us.-israelische „Krieg gegen den Terrorismus“ erweist sich schon jetzt als sein Gegenteil: er ist Brutstätte für weltweiten Terror auf unbegrenzte Zeit - und lässt natürlich Hassgefühle gegen die USA und Israel anwachsen.

Nun zur, in deutschen Medien mit „Sicherheitsanlage“ umschriebenen, Mauer.

Mit dieser Mauer, die ich im vergangenen Jahr an mehreren Stellen mit Entsetzen selbst gesehen habe - geht es aber um mehr. Sie hat inzwischen viele Namen: was offiziell ein „Sicherheitszaun“ sein soll, ist zunächst eine „illegale Grenze“, für die in ihrer Nähe Lebenden eine „eiserne Mauer der Angst“ und eine „Annexionsmauer“, „Apartheidmauer“, eine „neue Klagemauer“ über der nicht Gottes Geist schwebt, sondern, wenn überhaupt, dann der Geist eines bösen Dämons. Diese Mauer ist kein Werk fortschrittlich denkender Menschen des 21. Jhdts, es ist mit einem mittelalterlichen Terminus „Teufelswerk“, das nur zerstören, stehlen, zerreißen, zur Verzweiflung bringen, vertreiben, aushungern, töten will und ein noch größeres Chaos anrichtet, als sowieso schon besteht - dieses Machwerk wird auf Dauer nicht zur Sicherheit Israels beitragen, sondern wie eine tickende Bombe beide Völker in eine Katastrophe führen ...

Vergessen wir nicht, dass die eben nur an 12 Punkten und deshalb nur sehr knapp skizzierte nahöstliche Tragödie die Fortsetzung der europ. bes. der deutschen Vernichtungsgeschichte am jüdischen Volk ist. Seit 56 Jahren leidet nun ein anderes Volk, das nichts mit dieser europ. Geschichte zu tun hat, an der „fehlgeleiteten Rache“ der damaligen Opfer. Wir in Europa hätten deshalb viele Gründe, um diese Tragödie zwischen beiden Völkern beenden zu helfen. Lassen wir uns nicht irritieren von Leuten, die sich nur Sorge um ein fragwürdiges Image eines Staates machen oder die uns mit der Antisemitismus-Keule oder Ähnlichem drohen wollen, die aber keine Ahnung haben, was sich vor Ort wirklich abspielt.

Wenn wir uns um die Menschen dieser Region auf beiden Seiten des monströsen, abscheulichsten Bauwerks sorgen, also echt „honestly concerned“ sind - um israelische wie palästinensische Menschen - , lassen Sie uns überlegen, wie wir heute und hier

1. als verantwortlich Denkende - unsere ominöse Geschichte mit bedenkende - Deutsche und verantwortlich Handelnde die Gruppen in Israel und Palästina unterstützen können, die gewaltlos und mutig gegen dieses Beton-Stacheldraht-Graben-Monstrum und gegen viele andere Menschenrechtsverletzungen ankämpfen und

2. wie wir unsere Regierung mobilisieren und sensibilisieren können, dass sie in unser aller Namen aber auch in dem jüdischer und israelischer Friedensgruppen - alles in ihrer Macht Stehende tut, und mehr Mut zeigt, sich gegen die ja auch selbst-zerstörerische israelische Politik zu stellen, damit der Weiterbau dieser Apartheidmauer gestoppt und sie möglichst wieder abgerissen wird. Lasst uns auch protestieren gegen die Lieferung weiterer U-Boote in das nahöstliche Spannungsgebiet.

3. wie wir beim Brückenbau zwischen beiden Völkern helfen können, damit nicht noch weitere Generationen mit Angst-, Hass-, Rachegefühlen aufwachsen, mit abscheulichen Gewaltakten konfrontiert werden oder keinen anderen Ausweg aus dem Dilemma finden, als ein Selbstmordattentat zu begehen. Es ist auf beiden Seiten schon viel zu viel Blut geflossen.

4. was können wir tun, um unsere Medien dahin zu bringen, objektiver und umfassender zu berichten, auch was israelische und internationale Friedens- und Menschenrechtsgruppen täglich unermüdlich gegen diese Politik der Zerstörung unter großen Opfern Bewundernswertes leisten.

Ein letzter Gedanke:

Dass unser Nachdenken, Zornigsein, Reden und Tun hier auch mit Kritik an der Regierungspolitik Israels zu tun hat, soll nicht geleugnet werden - mit Antisemitismus hat dies nichts zu tun - wir - und das sage ich bewusst auch als Mitarbeiterin von Gush Shalom wir arbeiten im Sinne von und mit jüdischen und israelischen Freunden und Friedensgruppen. Es geht uns - um die Dinge auch hier beim rechten Namen zu nennen! - nicht um „political correctness“ - sondern um Menschenrechte, um Menschlichkeit, um Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden für beide Völker, für Israelis und Palästinenser - in zwei Staaten nebeneinander. Das Existenzrecht Israels wird überhaupt nicht in Frage gestellt. Ein palästinensischer Staat muss aber in den restlichen 22% Palästinas - also neben Israel - auch lebensfähig und unabhängig existieren können. Genau dies letzte soll ich im Auftrag von Gush Shalom in Israel noch besonders betonen, und dabei möchte ich auf die neueste kleine Broschüre „Wahrheit gegen Wahrheit“, eine Gush Shalom Dokumentation von Uri Avnery, aufmerksam machen. Sie liegt auf dem Büchertisch.

Danke, toda, shukran!!

Quelle: erhard-arendt.de/deutsch/palestina


Verhängnisvolle Fusionen

Aus Betrachtungen von Reuven Moskovitz vom 19.4.2004 (auch im Rahmen eines Artikels in der Frankfurter Rundschau vom 7.6.2004 mit dem Titel "Fusion von Himmel und Hölle" und dem Untertitel "Die Instrumentalisierung des Holocaust für Israels Sicherheit" veröffentlicht)

Reuven Moskovitz ist Historiker und Mitbegründer des Friedensdorfes Neve Shalom/Wahat Salam in Israel, eine Siedlung in der israelische Juden und Palästinenser zusammenleben. Er war Sekretär der Bewegung für Frieden und Sicherheit in Israel. Seit mehreren Jahrzehnten ist er aktiv in der Friedensbewegung und um die Verständigung und Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israeli, aber auch um die deutsch-israelische Versöhnung bemüht. Er ist Preisträger des Mount Sion Award 2001 und Preisträger des internationalen Aachener Friedenspreises 2003. Von seinem Buch "Der lange Weg zum Frieden" gibt es die vierte Auflage. Er nahm am 5.6.2004 in Köln an der Konferenz 'Stop the Wall' teil.

"Mit Hilfe von Auschwitz - Israels ultimativer Trumpfkarte bei seinen Beziehungen zu einer Welt, die immer wieder aufs Neue als antisemitisch und auf ewig feindselig definiert wurde - immunisierte sich Israel selbst gegen jedwede Kritik und genehmigte sich einen quasi sakrosankten Status, verschloss sich einem kritischen, rationalen Dialog mit seiner Umwelt".

Diesen Satz zitiert Reuven Moskovitz aus dem Buch 'Nation und Tod. Der Holocaust in der israelischen Öffentlichkeit' von Idith Zertal und fährt dann fort:

Dieser Satz erläutert das Wesen der israelischen Politik seit der Staatsgründung. Die Fusion zwischen Holocaust und aggressivem, expansionistischem Militarismus, die Einbahnstrasse einer Politik, die nur in eine Richtung führt: Möglichst viele Palästinenser zu vertreiben, viel Land mit der zynischen Behauptung, es sei öffentliches Land, zu enteignen, viele uralte Weinberge und Olivenhaine für Strassen zu entwurzeln, auf denen nur die gewalttätigen Siedler fahren dürfen, um sich auf den "befreiten" Gebieten unserer Vorfahren vor Jahrtausenden niederzulassen. Diese Schandtat - als neue Siedlungen bekannt - bezeichnet eine andere Fusion: Nämlich die Fusion zwischen Nationalismus und faschistischem (*) Klerikalismus. Bis 1977 herrschte ununterbrochen eine säkulare Regierung mit einer zionistisch-sozialistischen Mehrheit. Sozialisten, die mehr und mehr nationalistisch werden und den Staat teilweise klerikal prägen, fördern die Ansiedlung von einem fanatisch überhitzten Messianismus, der das Leben von armen und schwer schuftenden Bauern zu einer Qual und Hölle macht. Die "Einbahnstrassenpolitik" findet auch seinen Ausdruck in der scheinheiligen Behauptung, dass - nach Hitler - diejenigen, die sich weigern, das Recht von Juden anzuerkennen, sich in irgendeinem Teil von Eretz-Israel niederzulassen, die antisemitische und rassistische "Judenreinpolitik" untermauern. (**) Warum eigentlich auch sollten Juden nicht in der Westbank als friedfertige Nachbarn leben? Warum aber dürfen von Israel vertriebene Palästinenser nicht in Israel leben? Ein Recht, das nicht nach zweitausend Jahren verjährt, verjährt nicht nach fünfzig Jahren. Nun zeigt sich aber der rassistische Haken: Eine Rückkehr von Palästinensern wird unausweichlich die Sicherheit von Israel gefährden. Unausweichlich aber kommt die Frage: Und was ist mit der palästinensischen Sicherheit? Denn die meisten Siedler haben das Leben in der Westbank zu einer Hölle gemacht. Kein Palästinenser heute ist sich seiner Freiheit, seines Olivenhains, seines Hauses, seines Vermögens und seines Lebens sicher. Eine die Menschen liebende und Freiheit achtende Welt hätte längst diese gewalttätige Bande von Rowdies als Verbrecher angeprangert. Wir aber sind ewige Opfer, ewig gefährdet durch diese „ewig wilden Tiere, die man, wenn man sie nicht los werden kann, hinter Mauern und Zäunen einsperren muss".

Die Schilderung aller Ungeheuerlichkeiten der "Einbahnstrassenpolitik" sprengt den Rahmen dieses Artikels. Mit Bertolt Brecht kann man behaupten, dass nur Menschen mit glatter Stirn, mit tauben Ohren, mit geblendeten Augen und mit stumpfen Gefühlen es noch nicht erfahren haben. Die "Ultimative Auschwitz -Trumpfkarte" funktioniert ausgezeichnet. Sie schliesst zauberhaft den Mund und das Gewissen von vielen anständigen Menschen in Deutschland, die mit ehrlicher Sorge und Kummer verfolgen, wie Israel mit dieser "Trumpfkarte" sich in den Abgrund steuert.

Quelle: erhard-arendt.de/deutsch/palestina

* Anmerkung: Das Wort 'faschistisch' ist in der gedruckten Ausgabe der Frankfurter Rundschau ausgelassen. Stattdessen befindet sich dort ein Auslassungszeichen. Es wird darauf hingewiesen, daß die gedruckte Fassung stark gekürzt und die komplette Fassung im Internet zu finden sei. Dort finden wir den Satz allerdings ebenfalls ohne das Wort 'faschistisch' und zudem - man oder frau staune - ohne das Auslassungszeichen.

** Anmerkung: Auch diese Passage fehlt in der gedruckten Ausgabe der Frankfurter Rundschau. Den Lesern wird also insbesondere die Einschätzung, daß das Leben von armen und schwer schuftenden palästinensischen Bauern zu einer Qual und Hölle wird, vorenthalten. In der Internet-Fassung ist die Passage aber vorhanden.


Erstens muss man das Schweigen der Welt brechen!

Felicia Langer bei der Internationalen Konferenz 'Stop the Wall' am 5. Juni 2004 in Köln

Den nachstehenden Beitrag leistete Felicia Langer bei dem Kongress „Stop the Wall“ am 5.6.2004 in Köln, auf einem von vier Panels: „Verantwortung Deutschlands und Europas im israelisch-palästinensischen Konflikt!“. Felicia Langer ist eine bekannte Rechtsanwältin, Schriftstellerin und Aktivistin für Gerechtigkeit im Nahost. Als Überlebende des Holocaust zog Felicia Langer 1950 im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Israel. Seit 1990 leben sie und ihr Mann nun in Deutschland. In diesem Jahr nahm sie auch den alternativen Nobelpreis entgegen.

Ich wollte über diesen Ort sprechen, wo seit 37 Jahren eine Besatzung herrscht.

Eine kriegerische, grausame Besatzung, obwohl es eine UNO-Resolution gibt, die klar sagt, dass man die Gebiete räumen muss, dass Landerwerb durch Kriege unzulässig ist. Diese Resolution gibt es schon lange, doch sie ist mittlerweile mit Staub bedeckt, so wie andere UNOResolutionen, weil das amerikanische Veto immer als Garant dient, dass es keinen Druck auf Israel geben wird, denn jede Resolution wird mit einem Veto zunichte gemacht. Ohne diese absolute Befürwortung seitens den USA, zu allem was diese Regierung macht, könnte sie sicher nicht das betreiben, was sie betrieben hat, denn in Israel ist klar: „Everything is American made or paid!“ (Alles ist von den USA gemacht oder bezahlt.). Ohne das Schweigen der Welt und ohne diese Unterstützung (fast als Außenposten) von Amerika könnte sie diese Politik nicht weiterbetreiben.

Ich bin seit 53 Jahren Augen- und Zeitzeugin der Unterdrückung der Palästinenser.

Ich habe die Vertreibung der Palästinenser, die Zerstörung ihrer Häuser und die Besiedlung der Gebiete gesehen. Ich habe auch gesehen, wie man Bäume entwurzelt, und ich habe noch etwas gesehen: Ich habe die Spuren von Folterungen an Palästinensern gesehen.

Wir sehen Bilder von Irakern, die in Gefängnissen gefoltert werden. Nun, ich habe Erinnerungen an Menschen, die durch Folter in israelischen Gefängnissen verwundet wurden oder gestorben sind. Das dauert auch bis zum heutigen Tag an, nur wir machen davon keine Bilder. Zur Palette der Unterdrückung die ich hier beschrieben habe, gehörten schon damals Kriegsverbrechen die ich verurteilt habe, und ich habe versucht, diese zu publizieren, auch vor der UNO.

Jetzt diese 4 Jahre der Intifada, diese 4 Jahre von Kriegsverbrechen sind Menschenschicksale. Es ist doch schrecklich, was wir gemacht haben, wir die Holocaustüberlebenden. Für uns, für mich und meinen Mann ist die Lehre aus dem Holocaust die Menschlichkeit, und ich versuche diese zu praktizieren.

Diese vier Jahre sind schon fast vorbei, doch die Welt schweigt und das Veto der Amerikaner wirkt weiter.

Was kann man jetzt machen?

Erstens muss man das Schweigen der Welt brechen. Denn wir werden nie Frieden haben, ohne Druck auf Israel auszuüben, das ist das Wichtigste. Die verheerende Invasion im März/April 2002, die so genannte „Operation Schutzschild“ hat die Infrastruktur des Lebens der Palästinenser zerstört. Und wann hat man das gemacht? Es war damals eine Friedensinitiative Saudi-Arabiens. Das war eine wichtige Initiative, dass man Israel nicht nur anerkennen könnte, sondern einen warmen Frieden schließen könnte, mit Normalisierung.

Die Antwort Sharons [zu dieser Initiative] war diese schreckliche Invasion, wo man alles, was man nur konnte, in den palästinensischen Gebieten zerstörte.

Die Waffen haben die amerikanischen Steuerzahler bezahlt: für F16, Hubschrauber und Raketen. Diese Waffen haben das zerstört, was europäische Steuerzahler bezahlt haben. Ohne politischen Druck kann man viele Projekte machen, doch israelische Waffen werden sie zerstören.

Was kann man tun? Was ist die Aufgabe von Deutschland?

Deutschland hat die 4. Genfer Konvention 1949 unterzeichnet und ratifiziert, diese Konvention, die Israel bricht und mit Füßen tritt. Der 1 Artikel dieser Konvention lautet: „Die Vertragsparteien verpflichten sich, das vorliegende Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.“ Artikel 147 bezeichnet als schwere Verletzungen der Konvention vorsätzliche Tötung, Zerstörung, Aneignung von Eigentum. Das sind Kriegsverbrechen. Eben alles, was Israel macht. Deutschland müsste einschreiten und die Genfer Konventionen einhalten, aber Joschka Fischer schweigt.

Er ist nicht empört, wenn man Palästinenser tötet, deren Häuser zerstört (was man in Raffah gemacht hat) oder friedliche Demonstrationen attackiert. Keine Empörung, nichts. Er ist sehr konsequent in seiner Haltung, und diese Haltung ist eine pro-israelische Regierungshaltung. Zum Beispiel: Die Enthaltung der Stimme in einer Vollversammlung der UNO ist eine ominöse Enthaltung, denn das wäre eine Stimme gewesen, als die Palästinenser ein Gutachten vom Gerichtshof in Den Haag verlangten. Deutschland und die EU haben sich enthalten, weil das politisch ist. Aber was ist nicht politisch in diesem Leben? Alles ist politisch. Schließlich wurde in Den Haag auch Nicaragua diskutiert.

Und jetzt gibt es noch eine Frage: Wohin sollen sich die Palästinenser noch wenden? Im Weltsicherheitsrat gilt das Veto der Amerikaner, es ist eine Bremse. Was bleibt, ist nur ein Gefühl der Ohnmacht.

Die EU-Außenminister wählten auch eine zu milde Sprache nach der Zerstörung in Raffah. Es gab 57 Tote und tausende Obdachlose. Der damalige israelische Justizminister Tommy Lapid sah in Raffah eine alte Frau auf Ruinen, die ihre Medikamente suchte. Bei einer Kabinetssitzung sagte er, dass ihn diese Frau an seine Oma im Holocaust erinnert. Doch die EU forderten Israel in einer äußerst milden Sprache auf, die „unverhältnismäßigen“ Zerstörungen sofort zu beenden. Welche Zerstörung wäre hier „verhältnismäßig“? Jetzt, die Einmischung Europas, die Verurteilung von Israel, Warnung und Mahnung sind ein Auftrag.

Eine Einmischung ist nicht Anti-israelisch.

Anti-israelisch ist Sharons Regierungspolitik, die den Weg für Anschläge ebnet, um unschuldige Menschen zu töten. Europa/Deutschland soll Frieden stiften, aber nicht als unterwürfige amerikanische Untertanen. Der Wegweiser ist das Völkerrecht, das George W. Bush im Irak und in Palästina schon längst abgeschrieben hat. Deutschland kann hier große Hilfe leisten, wenn es aufrichtig und mutig handelt, unter dem Motto, dass das Völkerrecht und die Menschenrechte universelle Geltung haben. Das wird auch für das israelische Volk ein Segen sein.

Ich lese noch etwas aus meinem Buch „Brücke der Träume“ vor, über die Antisemitismuskeule, die euch lähmt, denn ich will euch diese Lähmung wegnehmen.

‚In der Tat sind die Deutschen gerade wegen ihrer Vergangenheit dazu verpflichtet, sich überall dort einzumischen, wo Menschenrechte verletzt werden. Sie haben schon einmal geschwiegen, wenn auch in einer anderen Zeit und unter anderen Umständen. Das Schweigen angesichts von Unrecht hat vor allem dann, wenn es den Opfern helfen könnte, die Stimme zu erheben, einen Beigeschmack von Mittäterschaft. Die Israelis können keinerlei Recht beanspruchen als Opfer von gestern Täter von heute zu sein. Das Testament der Toten des Holocaust macht eine klare Aussage. Wir haben auch kein Recht die Schuldgefühle der Deutschen zu funktionalisieren, so wie Israel das tut, und sie, was unsere Taten angeht, zum Schweigen zu verurteilen, damit wir ungestört, jeder Einmischung und Kritik entzogen, die Palästinenser unterdrücken können. Wer behauptet, dass man die Menschenrechtsverletzungen Israels, die dem Völkerrecht

zuwiderlaufen, nicht anklagen dürfe, also nichts tun dürfe – was die Menschenrechtorganisationen in Israel und in der Welt schon seit Jahren tun – weil das Antisemitismus sei, wer das behauptet, der lügt wissentlich, frech und erpresserisch, um die Stimmen der Kritik zum Schweigen zu bringen. Und das ist die Antisemitismusdebatte.’

So substanzlose Anschuldigungen wie diese müssen mit allem Nachdruck zurückgewiesen werden. Ebenso könnte die Einschüchterung einer Kritik an Israels Verhalten, den Applaus der falschen Seite herbeiführen. Die Deutschen müssen ihre Verpflichtung, die aufgrund ihrer Vergangenheit im Vergleich zu anderen Völkern doppelt oder dreifach wiegt, ganz entschieden wahrnehmen. Und wegen jedem Anzeichen von Rassismus, Menschenrechtsverletzungen, Antisemitismus oder Fremdenhass, in welcher Form auch immer, ankämpfen. Darin ist auch eine äußerst klare Botschaft an jene falsche Seite enthalten. Denn nicht diese ist es, die den Menschen mit Gewissen ihre Position diktiert.

Wir Israelis und Juden haben auch kein Recht, die Deutschen wegen ihrer Vergangenheit über Generationen hinweg für untauglich zu erklären, ihren Standpunkt in fragenden Moral zu äußern. Aber sie kollektiv eines angeborenen Antisemitismus zu bezichtigen, ist Rassismus und dieser bleibt hässlich wie jede andere Form von Rassismus, auch wenn seine Vertreter die Opfer von gestern sind. Die besten unserer Töchter und Söhne in Israel und außerhalb verurteilen die Unterdrückung und wenden sich an die Gemeinschaft der Welt, inklusive an die Deutschen, ihre Solidarität mit den Opfern auszudrücken.

Freundschaft mit Israel, ja, aber eine kritische Freundschaft. Andernfalls wäre sie reiner Betrug. Solidarität ist die schönste Blume der Menschheit, sagten die Frauen Guatemalas und ich ebenso.“

Quelle: www.womenandlife.org


Telearbeit an der israelischen Mauer

Aus einer Betrachtung von SteinbergRecherche.com vom 7. und 10.6.2004

Die israelische Mauer zerschneidet das Westjordanland. Sie soll die Palästinenser verjagen. Arbeiterfotografie aus Köln zeigt, wie taz und Frankfurter Rundschau die journalistische Mauer bauen - in Telearbeit: Die taz übernimmt das euphemistische Scharon-Vokabular, ohne sich um Tatsachen zu scheren. Die Rundschau streicht im Text von Reuven Moskovitz, was an Streicher erinnert, zum Beispiel das Attribut 'faschistisch'... Arbeiterfotografie zeigt außerdem: Die FR vestümmelt in ihrer Printausgabe einen Passus aus dem Aufsatz des Aachener Friedenspreisträgers, der sich Online so liest:

"Sozialisten, die mehr und mehr nationalistisch werden und den Staat teilweise klerikal prägen, fördern die Ansiedlung von einem fanatisch überhitzten Messianismus, der das Leben von armen und schwer schuftenden Bauern zu einer Qual und Hölle macht. Die 'Einbahnstrassenpolitik' findet auch seinen (gemeint: ihren, T:I:S) Ausdruck in der scheinheiligen Behauptung, dass - nach Hitler - diejenigen, die sich weigern, das Recht von Juden anzuerkennen, sich in irgendeinem Teil von Eretz-Israel niederzulassen, die antisemitische und rassistische 'Judenreinpolitik' untermauern."

Fett wiedergegeben ist, was die FR nicht gedruckt hat. Wahrlich ein Streich...

Reuven Moskovitz wollte den Text veröffentlichen mit dem Untertitel 'Der Holocaust im Dienst der Gewalt und des Todes'. Die Frankfurter Rundschau wollte nicht...

Inzwischen hat Moskovitz an der Kölner Aktion 'Stop the wall' teilgenommen. Gleichzeitig hat die Frankfurter Rundschau Moskovitz’ Artikel redaktionell überarbeitet und mit einem Monat Verspätung im Juni veröffentlicht. Den Untertitel, der sagt, was im Artikel steht, hat sie ersetzt durch: 'Die Instrumentalisierung des Holocaust für Israels Sicherheit'.

Quelle: www.steinbergrecherche.com