Köln, 30.1.2003, Soldatengottesdienst im Kölner Dom und der Protest dagegenBilder

Protest gegen Kardinal Meisners Militärabsegnung

Artikel aus 'Kölner Lokalberichte' vom 6.2.2003

Köln, 30. Januar. 30 Personen protestierten auf der Domplatte dagegen, daß Kardinal Meisner 1000 NATO-Soldaten und deren bisheriges und geplantes Handeln absegnete.

Seit 1991 hält Meisner jeweils am Weltfriedenstag der katholischen Kirche seine Militärpredigten. In ihnen will er die Soldaten verpflichten, ihr militärisches Tötungswerk im Namen seines Gottes zu verrichten.

Als sich in diesem Jahr ab acht Uhr Soldaten auf der Domplatte versammelten, mahnte sie die laute Trompetenmusik zweier Musikerinnen, begleitet von Trommelschlägen, sich nicht mehr für die militärische Außenpolitik ihre Länder verwenden zu lassen. Ob es nicht besser sei zu desertieren als zu töten, wollte ein Plakat sie zum Nachdenken anregen. Ein Transparent von Pax Christi wurde gezeigt und machte deutlich, daß die herrschende Absegnung der Militärpolitik auch in der katholischen Kirche auf Widerspruch stößt. Das Transparent „Kriege verhindern, Rüstung ächten“ wurde wieder gezeigt. Als 1997 eine Demonstrantin und ein Demonstrant ganz allein dieses Transparent vor dem Dom hochhielten, sahen die Bundeswehrführung und der Kardinal die freie Verdrehung der Soldatenköpfe gefährdet und ließen die Protestierenden von der Polizei festnehmen. Zwei Stunden Einzelhaft im Polizeipräsidium sicherten, daß Meisners Kriegsruf seiner damaligen Predigt: „Fürchte Gott und scheue niemand!“ nicht von zwei Menschen in Frage gestellt wurde.

In diesem Jahr wurden die Transparente der kleinen Protestgruppe von Passantinnen und Passanten aufmerksam gelesen und spontane Zustimmung deutlich ausgedrückt. Meisners falsche Rede: „In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher“ war auf einem großen Schaubild der Gruppe Pax an verdeutlicht. Meisners Spruch aus seiner Soldatenpredigt 1996 rechtfertigte den blinden Gehorsam gegenüber der militärischen Vernichtungspolitik.

Auch diesmal wurde der Kardinal bei seinem Eintreffen vor dem Dom von lauten Unmutsrufen aus der Protestgruppe empfangen. Ein Soldat der Bundeswehr war abgeordnet, vor dem Kardinal herzumarschieren bis zum Domportal. Im Dom wurde bei Beginn von Meisners Militär-Predigt eine rote Bombenattrappe mit der Aufschrift des 5. Gebotes „Du sollst nicht töten“ bis vor den Altar getragen. Dom-Schweizer hielten die Erinnerung an das Tötungsverbot nicht für angebracht und griffen heftig ein.

Beim letzten Krieg der NATO und der USA 1991 gegen den Irak hatte der Kardinal am 31. Januar im Kölner Dom die Soldaten darauf verpflichtet, Krieg zu führen für, wie er sagte, „eine neu fällig gewordene Friedensordnung für Europa und die Welt“. Dieses Kriegsziel war von dem damaligen US-Präsidenten Bush propagiert worden. Die Regierung der NATO-Staaten, auch die der Bundesrepublik Deutschland, stimmten zu. Meisner rief damals die Soldaten direkt zum Krieg auf.

In diesem Jahr 2003 wird ein Krieg gegen den Irak erneut vorbereitet. Der Papst, Kardinal Meisners Dienstherr, stellte sich gegen direkte Kriegsvorbereitungen. Meisner setzte seine Haudrauf-Kriegsparole „Gott mit uns“ so nicht fort. Er betonte in seiner diesjährigen Soldatenpredigt , daß das Militär weltweit für die Erhaltung des Friedens eingesetzt werden müsse: „Die Soldaten mit ihrem Dienst sind nicht dazu da, Kriege zu führen, sondern sie zu verhindern und den Frieden zu erhalten.“ Militäreinsätze der Bundeswehr in der ganzen Welt im Namen von Meisners Gott: Wofür? Hatte Verteidigungsminister Struck nicht auch erklärt, daß Deutschlands Frieden am Hindukusch verteidigt wird?

Die geltenden Bundeswehrrichtlinien sehen weltweiten Einsatz der Bundeswehr für die Rohstoffsicherung der deutschen Konzernbesitzer vor und für den Erhalt des freien Welthandels. Diese Richtlinien werden jetzt gerade überarbeitet. Verteidigungsminister Struck hatte mit der Forderung nach dem Erhalt des deutschen Friedens am Hindukusch, einige tausend Kilometer östlich von Berlin, eine Vorgabe gesetzt. Generalinspekteur Schneiderhahn hat die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien am 18.1.2003 erstmals genauer umrissen. Verteidigung müsse neu definiert werden. Er warf die Frage auf, ob Verteidigung auch „präventiv“ zu führen sei. Vorbeugender Krieg zum Erhalt des Friedens durch, in Meisner schönredenden Worten, „die Soldaten mit ihrem Dienst“ , darüber denkt die Bundeswehrführung nach. Kardinal Meisner hatte die jeweilig aktuellen Ziele der Bundeswehrführung seit 1991 in seinen Militärpredigten umgesetzt und in die Köpfe der Soldaten zu bringen versucht.

Nicht nur die USA, auch die Bundesrepublik Deutschland bereitet sich auf Angriffskriege zur Verteidigung „deutscher Interessen“ vor. Generalinspekteur Schneiderhahn: „Die geographische Bindung, die wir bisher haben - oder hatten - die hat sich verändert.“ (gba)


"Du sollst nicht töten"

Ursula Scholz berichtet über ihre Aktion während des Soldatengottesdienstes im Kölner Dom (die wir leider nicht fotografiert haben)

Anlässlich des o.g. Soldatengottesdienstes, der einmal im Jahr im Kölner Dom stattfindet (in diesem Jahr am 30.1.) und von Kardinal Meisner für die Soldaten der NATO zelebriert wird und gegen den seit 1997 von der Friedensbewegung protestiert wird, ist mir folgendes passiert:

Dieser Gottesdienst ist mir, seitdem er mir bekannt ist, ein Dorn im Auge und in diesem Jahr war er das besonders, da Kardinal Meisner am vorhergehenden Sonntag zu einem Friedensgebet im Dom aufgerufen hatte. Und da vor zwei Jahren schon einmal die bewundernswerte Friedensfreundin Hanna Jaskolski, die zur Zeit wegen Aktionen zivilen Ungehorsams im Gefängnis sitzt, eine Einzelaktion im Dom gestartet hatte, statt sich mit Protesten auf der Domplatte zu begnügen, beschloss ich, in diesem Jahr Ähnliches zu tun.

Dazu hatte ich mir aus stabilem, aber biegsamen knallrotem Plastik eine Bomben/Raketen-Atrappe ausgeschnitten, etwa so gross wie ich vom Hals bis kurz vor den Knien. Diese hatte ich in schwarzen Buchstaben mit dem Text - "Du sollst nicht töten" 5. Gebot - beklebt und sie mir mit einem Gummiband am Körper unter meinem Mantel festgebunden. In der Manteltasche hatte ich eine kleine Schere mitgenommen.

Ich kam unbehelligt etwa eine Stunde vor Beginn in den Dom und konnte mir einen guten Platz hinter den reservierten ersten 13 Reihen direkt am Mittelgang aussuchen. Dort erlebte ich den Einzug der ganzen militärischen Prominenz einschliesslich unseres Herrn Kriegsministers, der zugehörigen Damen in jeder Menge Pelzmänteln, der beteiligten Soldaten und schliesslich Kardinal Meisners mit seinem Gefolge.

Ich machte den Gottesdienst mit bis zu dem Moment, da Kardinal Meisner seine Predigt begann. Da öffnete ich unauffällig meinen Mantel und schnitt mit der Schere das Gummiband durch, so dass ich die Bombe/Rakete in den Händen hielt, trat auf den Mittelgang und ging, die Bombe hoch über meinem Kopf haltend in Richtung Meisner und Kanzel und kam fast bis zur Altarabsperrung. Dann fielen die Domschweizer über mich her und das meine ich wörtlich. Der erste von drei hünenhaften Männern packte mich von hinten an Schultern und Armen, riss mich herum und begann, mich äusserst unsanft, ja, geradezu brutal in Richtung Ausgang zu schubsen und zu zerren. Ein zweiter riss mich an meinem linken Arm vorwärts, so dass ich Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Ein dritter kam noch dazu, der mich nach vorne abschirmte, mich aber nicht anfasste. Inzwischen hatte der erste mir auch die Bombenattrappe entrissen und in den Gang geschleudert. Ich rief mehrere Male laut, sie möchten mich loslassen, ich könne alleine gehen, das nützte nichts. Ich verlangte, meine Handtasche mitnehmen zu können, die ich in der Bank hatte stehen lassen, das wurde mir verwehrt, allerdings gelang es mir, sie im Vorübergehen zu schnappen. Erst kurz vor dem Ausgang, wo Schulklassen von Kindern standen, die ausgesprochen verängstigt guckten, liessen sie mich los, drängten mich zum Ausgang und stiessen mich aus dem Dom, wo schon die Kripo auf mich wartete. Dort wurden meine Personalien überprüft und dann wurde ich laufengelassen. Die beteiligten KripobeamtInnen haben sich absolut korrekt benommen, ich glaube bei der Beamtin sogar eine gewisse Symphatie wahrgenommen zu haben. Ob die Kirche nun Anzeige erstattet, weiss ich nicht, interessiert mich aber auch nicht besonders. Sollte es so sein, werde ich auf jeden Fall Gegenanzeige wegen des Verhaltens der Domschweizer erstatten. Ausserdem werde ich mich ohnehin mit einer Anwältin in Verbindung setzen, um die im Dom zurückgebliebene Bombenatrappe zurückzufordern, sie ist schliesslich mein Eigentum und hat mich einige Stunden Arbeit und die Gruppe PAX AN!, in der ich hauptsächlich mitarbeite, Geld gekostet.

Ich möchte betonen, dass ich überzeugte Pazifistin bin und zwar keine von der Sorte, die Alice Schwarzer als "blauäugig" bezeichnet und die es meiner Erfahrung nach nur sehr selten in der Friedensbewegung gibt. Meine Aktion war vollkommen gewaltfrei, lautlos, ich habe mich in keiner Weise gewehrt und hätte auch auf mündliche Aufforderung hin den Dom verlassen, nur hat das niemand versucht, s.o. Und ich denke, um eine Kirche, der frau im Dom das Wort Gottes vorhält und die das als "Störung" bezeichnet, die es anscheinend rechtfertigt, derart brutal gegen die "Störerin" vorzugehen, ist es sehr schlecht bestellt.

Ich selbst bin wegen der doppelzüngigen Haltung auch der evangelischen Kirche zu Krieg und Militär vor ca. 30 Jahren aus dieser ausgetreten und kann seitdem auch keine wesentlichen Unterschiede feststellen.

Da ich einen recht kaputten Rücken habe und mir erst kürzlich wieder zwei Rückenwirbel gebrochen habe, hat mir die Behandlung, eher Misshandlung durch die Domschweizer an dem Tag und in der folgenden Nacht grausame Rückenschmerzen eingebracht. Jetzt ist es etwas besser. Eigentlich hätte ich heute zu einem Arzt/einer Ärztin gehen müssen, das weiss ich, aber nach einer schlaflosen Nacht war ich dazu heute nicht in der Lage und jetzt ist Freitag nachmittag.

Was mich unglaublich erschreckt hat, aber natürlich eigentlich ganz klar ist, war der unglaubliche Hass, den ich während der Aktion der Domschweizer gespürt und in ihren Gesichtern gesehen habe. Ich denke, das war Frauenhass pur, diese Männer tun nicht nur ihre Pflicht, ich glaube, wenn sie nur könnten, würden sie auch heutzutage ohne mit der Wimper zu zucken, "Hexen" auf den Scheiterhaufen schicken! Ja, diese Geschichte wollte ich Euch erzählen, denn obwohl, was ich aber nicht genau weiss, Presse zugegen war, ist davon kein Wort in den Kölner Zeitungen erschienen und mir scheint diese Praxis so gravierend und bezeichnend, dass ich auf jeden Fall Öffentlichkeit herstellen möchte.