Krieg gegen den Terror - Zitate führender Politiker
Wie man einen Sieger in einem Atomkrieg hat
Zur Auseinandersetzung um ein Zitat von Georg Bush aus einem Interview mit der 'Los Angeles Times' vom 24.1.1980


"Man muß die Überlebensmöglichkeit der Oberkommandos sichern, die Überlebensmöglichkeit eines Industriepotentials, man muß den Schutz einer gewissen Prozentzahl von Bürgern sichern und eine Kapazität von Waffen haben, die der Gegenseite mehr Schaden zufügt, als sie einem selber zufügen kann, das ist genau der Weg, auf dem man einen Sieger in einem Atomkrieg hat."

Das hat George Bush, Vater von George W. Bush, laut 'stern', Ausgabe 43/1981, im Rahmen eines Interviews mit der 'Los Angeles Times' gesagt.

'Los Angeles Times', 24.1.1980


Am 24.4.2006 ereichte uns eine eMail von 'Nathan', in der dieser behauptet, das Zitat unterscheide sich substantiell von dem, was Bush tatsächlich gesagt habe - es sei ein entscheidender Satz weggelassen - und Bush habe auf die Frage geantwortet, warum die USA auf einen nuklearen Angriff vorbereitet sein müßten.

Diese zweite Behauptung läßt sich schnell beurteilen: sie trifft nicht zu. Der Interviewer hat nicht danach gefragt, warum die USA auf einen atomaren Angriff vorbereitet sein müßten. Er hat gefragt: "Wie gewinnt man einen Atomkrieg?"

Sehen wir uns die entscheidende Passage des Interviews aber im größeren Zusammenhang an. Es stammt aus der 'Los Angeles Times' vom 24.1.1980.



Artikel "Bush Assails Carter Defense Strategy", 'Los Angeles Times', 24.1.1980


Interviewpartner ist Robert Scheer (Times Staff Writer). Der Titel des Artikels mit dem Interview lautet: "Bush greift Carters Sicherheitsstrategie an". Hier die entscheidende Passage aus dem Interview:
    Scheer: Erreichen wir mit diesen strategischen Waffen nicht einen Punkt, wo wir uns gegenseitig mehrere Male auslöschen können, und niemand sie einzusetzen wünscht oder willens ist, sie einzusetzen, so daß es tatsächlich keine Rolle spielt, ob wir 10 oder 2 Prozent mehr oder weniger haben?

    Bush: Ja, wenn man annimmt, daß es nicht so etwas wie einen Gewinner in einem Atomkrieg gibt, macht das Argument wenig Sinn. Ich glaube das nicht.

    Scheer: Wie gewinnt man einen Atomkrieg?

    Bush: Man muß die Überlebensmöglichkeit der Oberkommandos sichern, die Überlebensmöglichkeit eines Industriepotentials, man muß den Schutz einer gewissen Prozentzahl von Bürgern sichern und eine Kapazität von Waffen haben, die der Gegenseite mehr Schaden zufügt, als sie einem selber zufügen kann, das ist genau der Weg, auf dem man einen Sieger in einem Atomkrieg hat. Und die Planungen der Sowjets basieren auf dem häßlichen Konzept eines Gewinners in einem Atomkrieg.

    Scheer: Meinen Sie, etwa 5 Prozent würden überleben? 2 Prozent?

    Bush: Mehr als das - wenn jeder alles abfeuert, was er hat, hätte man mehr als das, die überleben.

    Scheer: Also haben wir einen Fehler gemacht, einen Atomkrieg als mögliche Option nicht in Betracht zu ziehen, da wir ja überleben könnten.

    Bush: Unsere strategischen Streitkräfte sollten als Abschreckung angesehen werden. Und das ist der Weg, den ich gehen würde. Und ich denke, ich wäre in der Lage - wenn wir tun, was wir notwendigerweise tun sollten, um sicher zu sein, daß der Trend, der eingesetzt hat, sich nicht fortsetzt, der Trend, der sie überlegen macht - ich denke, wozu ich in der Lage wäre, wäre abzudrängen, zu schuften und eine Verringerung auszuhandeln, die überprüfbar ist.

Es ist also Bush, der von sich aus (als Entgegnung auf die Frage nach dem Overkill) den Gedanken eines gewinnbaren Atomkriegs ins Spiel bringt. Es ist Bush, aus dem es auf die Frage, wie denn ein Atomkrieg zu gewinnen sei, nur so heraussprudelt, als hätte er schon lange darauf gewartet, seine Vorstellungen detailiert vortragen zu können. Es ist Bush, der darlegt, wie ein Atomkrieg zu gewinnen ist - nämlich wenn nur ein gewisser Teil der Bevölkerung, insbesondere die Führungselite, überlebt. Erst im Laufe seiner Äußerung wird Bush offenbar bewußt, was er gesagt hat, und er versucht entsprechend gegenzusteuern, indem er anfügt: "Und die Planungen der Sowjets basieren auf dem häßlichen Konzept eines Gewinners in einem Atomkrieg."

Welche Brisanz die Vorstellungen, die er (unfreiwillig) hat offenbar werden lassen, haben, zeigt die Nachgeschichte. Im Rahmen einer Pressekonferenz Anfang Februar 1980 versucht er zu retten, was zu retten ist. Die 'Los Angeles Times' vom 6. Februar 1980 schreibt in einem Artikel mit dem Titel: "Bush Explains View on 'Winning' A-War" (Bush erläutert seine Sicht zum 'Gewinnen' eines Atomkriegs):

"Der Reporter sagte, die Antworten Bushs auf Fragen des Times-Journalisten Robert Scheer würden implizieren, er habe von den Überlebensmöglichkeiten der USA gesprochen. 'Nein, darüber habe ich nicht gesprochen', erwiderte Bush scharf. 'Ich habe über die Sowjetischen Planungen gesprochen, die auf dem undenkbaren Ding eines Gewinners in einem Atomkrieg basieren.'"

Es folgt dann ein Auszug aus dem Interview, beginnend mit "Don't we reach a point" und endend mit "ugly concept of a winner in a nuclear exchange". Der Auzug entspricht exakt dem Wortlaut des Interviews vom 24.1.1980. Es ist nichts verändert, hinzugefügt oder weggelassen.

Auszug aus dem Artikel "Bush Explains View on 'Winning' A-War", 'Los Angeles Times', 6.2.1980


Dann heißt es im Artikel vom 6.2.1980 weiter: "Dann - zum Abschluß des Verlesens - gab es vonseiten Bushs folgende Erwiderung." Bush: "Die Sowjetischen Planungen basieren darauf, nicht die US-amerikanischen, nicht meine Planungen, nicht das, wofür ich eintrete. Sowjetische Kriegsspiele, sowjetische Planungen [...] basieren darauf. Nun heißt das nicht, daß wir dabei sind, die gleiche Art von Planung zu haben. Es bedeutet, daß wir solche Planungen verhindern wollen. Ich bin so froh, daß Sie das ganze Ding gelesen haben."

Bush ist also froh, daß die Passage ganz vorgelesen worden ist. Doch wie kann er froh darüber sein? Es ist genau das vorgelesen worden, was auch am 24.1.1980 in der 'Los Angeles Times' stand. Er versucht offensichtlich abzulenken. Er versucht vorzutäuschen, es habe sich für ihn etwas zum Besseren gewandelt. In diesem Sinne geht es weiter:

"Ich bin froh, daß Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, dies aufzuklären. Hören Sie, ich bin etwas weniger als genau. Wenn ich auf den Gedanken gekommen wäre, daß jemand das in der Weise interpretieren könnte, wie Sie es interpretiert haben, hätte ich in meiner Sprache genauer formuliert."

Er gibt also zu, etwas gesagt zu haben, was er so besser nicht gesagt hätte. Und dann kommt im Artikel vom 6.2.1980 noch ein entscheidender Satz: "Bush hat den Inhalt oder den Zusammenhang des Interviews in der 'Los Angeles Times' nicht angezweifelt."

Wir kommen zu dem Ergebnis: das im 'stern' abgedruckte Zitat ist nicht verfälschend wiedergegeben. Es ist lediglich beiseite gelassen, was vom (unfreiwillig offenbarten) Kern der Aussage ablenken würde. Entscheidend ist, daß Bush selber den Gedanken vom gewinnbaren Atomkrieg in die Debatte einbringt, nämlich in dem Moment, in dem er deutlich machen will, daß die Überlegungen um den so genannten atomaren Overkill falsch sind. Denn damit würde eine weitere Aufrüstung unnötig. Um die geht es aber gerade im Zuge der so genannten Nachrüstung. Also können wir Bush guten Gewissens zitieren, wie der 'stern' es 1981 getan hat:

"Man muß die Überlebensmöglichkeit der Oberkommandos sichern, die Überlebensmöglichkeit eines Industriepotentials, man muß den Schutz einer gewissen Prozentzahl von Bürgern sichern und eine Kapazität von Waffen haben, die der Gegenseite mehr Schaden zufügt, als sie einem selber zufügen kann, das ist genau der Weg, auf dem man einen Sieger in einem Atomkrieg hat."



Anhang:

Auszug aus dem Interview in der 'Los Angeles Times' vom 24.1.1980 im englischen Original

Scheer: Don't we reach a point with these strategic weapons where we can wipe each other out so many times and no one wants to use them or is willing to use them, that it really doesn't matter whether we're 10% or 2% lower or higher?

Bush: Yes, if you believe there is no such thing as a winner in a nuclear exchange, that argument makes a little sense. I don't believe that.

Scheer: How do you win in a nuclear exchange?

Bush: You have a survivability of command in control, survivability of industrial potential, protection of a percentage of your citizens, and you have a capability that inflicts more damage on the opposition than it can inflict upon you. That's the way you can have a winner, and the Soviets' planning is based on the ugly concept of a winner in a nuclear exchange.

Scheer: Do you mean like 5% would survive? Two per cent? (Meinen Sie, etwa 5 Prozent würden überleben? 2 Prozent?)

Bush: More than that - if everybody fired everything he had, you'd have more than that survive.

Scheer: So have we made a mistake, then, in not thinking of nuclear war as a possible option that we could survive?

Bush: Our strategic forces should be considered a deterrent, and that is the way I'd do it, and I think I would be able to - if we did what we needed to do to be sure the trend that set in doesn't continue, the trend that makes them superior - I think what I'd be able to do would be to push away, plug away and negotiate a reduction that can be verified.


Auszug aus dem Artikel der 'Los Angeles Times' vom 6.2.1980 im englischen Original

The reporter said Bush's replies to questions from Times staff writer Robert Scheer implied he was talking about the 'survivability' of the United States.

"No, I didn't talk about that," Bush retorted sharply. "I was talking about the Soviet plan that is based on the unthinkable thing of an winner in a nuclear war." [...]

The reporter then read this excerpt from the interview:

Scheer: Don't we reach a point with these strategic weapons where we can wipe each other out so many times and no one wants to use them or is willing to use them, that it really doesn't matter whether we're 10% or 2% lower or higher?

Bush: Yes, if you believe there is no such thing as a winner in a nuclear exchange, that argument makes a little sense. I don't believe that.

Scheer: How do you win in a nuclear exchange?

Bush: You have a survivability of command in control, survivability of industrial potential, protection of a percentage of your citizens, and you have a capability that inflicts more damage on the opposition than it can inflict upon you. That's the way you can have a winner, and the Soviets' planning is based on the ugly concept of a winner in a nuclear exchange.

Scheer: Do you mean like 5% would survive? Two per cent? (Meinen Sie, etwa 5 Prozent würden überleben? 2 Prozent?)

Bush: More than that - if everybody fired everything he had, you'd have more than that survive.

Then, at the conclusion of the reading, Bush had this response:

"The Soviet planing is based on that, not the U.S. planning, not my planning, not my advocacy. Soviet war games, Soviet planning [...] is based on that. Now that doesn't mean that we are going to have the same kind of planning. It means that we want to deter such planning. I am so glad you read the whole thing." [...]

"I am glad you gave me the oppertunity to clear this up. Listen, I'm a little less than precise. If I had any idea somebody was going to interpret that the way you interpreted it, I would have put it much more precise in my language." [...]

Bush did not challenge the content or the context of The Times interview.


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